Im ersten Teil der kleinen Retrospektive von mtb-zeit.de-Redakteur Marc gab es mit den Eventberichten vom Spätsommer 2005 bis zum Sommer 2006 schon einige Impressionen und Erinnerungen an diese Zeit zu lesen. Es folgt Teil zwei, bei dem die Berichte ausführlich daherkommen und auch die Bilder für Marcs Verhältnisse ganz gut sind.
Red Bull District Ride 2006 in Nürnberg
Es ist eine Weisheit, die schon so mancher Filmproduzent auf schmerzhafte Weise in Erfahrung bringen musste: Wenn der erste Teil ein großer Erfolg gewesen ist heißt das noch lange nicht, dass sein Nachfolger zum Selbstläufer wird und ähnlich positive Reaktionen auslösen kann. Das Publikum erwartet nämlich häufig noch eine Steigerung zum Vorgänger und mutige Neuerungen bzw. Änderungen führen zu negativer Resonanz bei den Kritikern.
Ob Freeride-Organisator Tarek Rasouli und seinem Streckenbau-Chef Cory Moore bei der Planung der zweiten Auflage des Red Bull District Ride in Nürnberg derartige Befürchtungen durch den Kopf gegangen sind, ist nicht bekannt, doch ohne Zweifel hatten sie Großes vor… Mit der Altstadt von Nürnberg stand ihnen auch in diesem Jahr die ideale Kulisse für ein Urban Freeride Event der Superlative zur Verfügung. Auch bei der Wahl der Akteure war man nicht kleinlich: Es wurde stark selektiert und nur die Besten der Besten sollten dieses Jahr die Chance bekommen ihr Fahrkönnen der breiten Masse zu präsentieren. Schließlich möchte man zeigen, dass Mountainbiker nicht nur in Lycra-Klamotten durch die Gegend heizen, sondern bezüglich Tricks und Airs ziemlich krass unterwegs sind.
Sehr schönes Video aus Nürnberg 2006:
Der in diesem Jahr zu befahrende Kurs wies deutlich Unterschiede zu dem des Vorjahres auf – Sechs verschiedene Districts sollten den Fahren alles abverlangen. Dem aus 2005 bekanntem Drop-District an der Kaiserburg folgte das sog. Downtown District, in dem eine Ledge an einer Treppe die Option zum Grinden bot oder aber ein Step-Down über ein Geländer genommen werden konnte. Danach ging es für die Fahrer über zwei technische Tables (auch Jump-Box genannt) nach denen das Wing District von den Bike-Pros überwunden werden musste. Diese könnte man als Mini-Ramp-Gebilde im XL-Format mit Gaps bezeichnen. An der Sebaldus Kirche erwartete die Fahrer dann das im Vergleich zum Vorjahr aufgepimpte Street District u.a. mit größerer JumpBox. Der Kurs führte nun über einen Curved Wallride zum Up n Down District, welches aus der Braun Box bestand, einem Crankworx-mäßigen Step-up auf eine Box mit anschließendem Drop Off. Abschließend mussten von den Freeride-Cracks dann noch im Dirt District drei dicke Doubles unter die Räder genommen werden, wobei die Anfahrt des Run-In mit dem netten Namen Catwalk getauft wurde. Die Erdhügel waren dieses Jahr deutlich breiter und der Hauptmarkt bot viel Platz für die anströmenden Publikumsmassen.
Bis auf die pessimistische Wettervorhersage war alles perfekt, doch auch diese konnte die zahlreich erschienenen Bike-Fans nicht erschüttern. Letztlich sollte der von ihnen betriebene Aufwand belohnt werden.
Freitag, 4.August 2006 – Kaiserwetter an der Kaiserburg
Da Petrus dem Biker-Völkchen gegenüber anscheinend wohlwollend gestimmt war, herrschte am ersten Tag des District Ride in Nürnberg sonniges Augustwetter. Die eifrig trainierenden Fahrer schien dies sehr zu freuen – dementsprechend schossen sie sich während des Practise schon heftig über den Kurs. So konnten die schon anwesenden Zuschauer bereits Backflips, 360er und Tailwhips bestaunen. Besonders an den Dirtjumps entlockten die Athleten den Anwesenden spontane Jubelausbrüche. Bei den vielen zufällig vorbeikommenden Passanten und Touristen sorgten die Sprünge der Biker für ungläubiges Staunen (“Sowas habe ich noch nie gesehen..!”).
Um 15 Uhr war es dann endlich soweit: Der zweite District Ride in Nürnberg wurde mit den ersten Qualifikationsläufen eröffnet. Nur 10 der angetretenen 22 Freeride-Pros sollten es am nächsten Tag bis in die Finals schaffen. Angesichts der hohen Leistungsdichte war also für Spannung gesorgt. Bis auf ein paar Ausnahmen (Joscha Forstreuther/GER, Nils Windfeldt/NOR, Gareth Dyer/CAN und Andreu Lacondeguy/SP) waren alle Rider auf Hardtails unterwegs, was natürlich viele BMX-Moves in Aussicht stellte, jedoch die harten Jungs nicht daran hinderte sich auch mal den großen Drop von der Burgmauer hinunter zu lassen.
Obwohl die Fahrer schon in der Qualifikation gut abgingen war es deutlich zu erkennen, dass sie sich ihre Top-Moves für das Finale aufsparen wollten. Dennoch scheuten sie keine Risiken und es kam zu diversen harten Stürzen. Den heftigsten Crash an diesem Tag musste Cameron Zink/USA erleben, der am großen Drop von der Burgmauer einen Onefoot-Xup auf seinem Hardtail zeigte und nicht rechtzeitig mit dem weggestreckten Fuß wieder ganz auf das Pedal kam – ein harter Aufprall mit anschließender Rutschpartie auf dem Rücken folgten. Infolge dessen konnte er den Lauf nicht fortsetzen. Der stämmige Franzose Chris Hatton vom Cannondale/The Cut-Team kam am ersten Dirtjump (sehr lang mit ungefähr 7 Metern) zu kurz und schaltete sich somit für den Rest des Contest verletzungsbedingt aus. Ansonsten gab es im Dirt District eine Menge Hang-Ups, die den Ridern den Schwung für den Rest der Line nahmen. Das kostete sie natürlich viele wertvolle Punkte, die Judges waren da nicht zimperlich. Das Scheitern im Dirt District hing wohl häufig mit der schwindenden Konzentrationsfähigkeit der Fahrer zusammen, einfach weil ihnen nach der langen Abfahrt der Sauerstoff fehlte. Ganz oben in der Wertung des ersten Quali-Laufes konnte sich am Ende Cameron McCaul/USA (20) platzieren. Er zeigte am großen Drop einen X-Up, baute in seinen Run viele Barspins bzw. Nofoot Cans ein und zog in der Dirtline an jedem Sprung stylische Tricks und beendete dieselbige mit einem fetten Tailwhip. Für viele überraschend ging der zweite Platz an Amir Kabbani/GER (17) aus Boppard. Er hatte sich in der nationalen Szene im Laufe des Jahres schon einen Namen gemacht und trumpfte nun in seinem ersten Quali-Run mit Barspins to X-Ups, schönen Superman Seatgrabs und einen 360er Drop von der BraunBox auf.
Weitere Infos und Highlights des ersten Quali-Runs:
– Nils Windfeldt/NOR ließ sein Bike beim Superman Tailwhip extrem langsam rotieren – höchste Syle-Wertung!
– Die TheCut-Teamrider Carlo Dieckmann/GER (22) und Aaron Chase/USA (27) zeigten als Einzige an diesem Tag Backflips über den zweiten Dirt, der sonst eher zum Schwung nehmen gedrückt wird.
-Wieder da: Nach langer Verletzungspause konnte Joscha Forstreuther/GER (22) mit einem soliden Run überzeugen, in dem er den Big Drop sprang und im Wing District einen Backflip auspackte.
– Die Top-Favoriten aus Übersee spulten lässig ihr Standard-Programm runter: Paul Basagoitia/USA (19) nahm die Jump-Box im Street District mit einem fetten Backflip und schüttelte am letzten Dirt einen sauberen Tailwhip aus dem Handgelenk
–T-Mo Pritzel/GER (30) wählte ebenfalls den Big Drop und wusste das Publikum am Hauptmarkt mit einem Backflip über den langen ersten Dirt und einem schönen 360er TableTop am letzten Dreckhügel zu begeistern.
– Zwar begann Lance McDermott/GB (20) seinen Run mit einem Sturz an der Marzocchi Wall im Drop District, jedoch gab er den Zuschauern während dem Rest seines Laufes eine kleine Kostprobe seines Könnens: Als Einziger zeigte er einen Handplant 180er über die Spine!
– Downhill WorldCup-Sieger Gee Atherton/GB (21) hatte im Vergleich zum Vorjahr ordentlich an Street- und Dirtskills zugelegt und präsentierte seine neu gelernten Flips, 360er und Barspins – Respekt!
– Die Schweizer Breitenstein-Brothers Mischa und Pascal stylten den Kurs hinab und schmückten ihre Runs mit 360ern, Flips und flachen TableTops.
Am Abend stieg dann noch bei guter Stimmung der Sick-O-Ward, bei dem 5 von den Judges ausgewählte Fahrer im Street District ihre Skatepark-Skills zur Schau stellen konnten. Als Preis warteten auf den Sieger ein Handgeld von 1000 Euro, ein High-Tech Handy und eine schicke Oakley-Brille. Timo Pritzel trat wie im Vorjahr nicht an (vielleicht hat er schon genug Oakley-Kram…) und wurde von Aaron Chase aus New Jersey ersetzt, zur Freude dessen Fans. Aus dem gleichen Ort an der amerikanischen Ostküste kommt auch Adam Hauck (17), der sich den Sieg mit Tailwhips, 360er, hohen Airs und Wallride to Tailwhip Versuchen sicherte. Für Viele hätte auch der aus Manchester stammende Lance McDermott mit seinen Handplants-180s und den fast sauber gestandenen Handplants-360er den Sieg verdient gehabt. Erwähnenswert sind noch Grant Fielder’s Tailwhips an der Hip und Aaron Chase Backflip über die Spine.
Samstag, 5.August – The Show must go on…
Morgens ab 9 Uhr trainierten die Pros in den verschiedenen Sektionen, was die Fotografen dazu nutzten, um ein paar schöne Bilder bei blauem Himmel einzufangen – für später waren Schauer und Gewitter vorausgesagt worden. Gegen 11 Uhr begann dann der zweite Qualifikationslauf, in dem alle noch mal die Chance bekommen sollten sich für das Finale zu qualifizieren. Auch am Start waren nun Kyle Strait/USA (19) und Gareth Dyer/CAN, die am Vortag aufgrund technischer Probleme an ihren Bikes pausieren mussten. Das Supertalent Strait legte auch gleich los und zeigte gleich mehrere Tailwhips, was vom den Menschen an der Strecke mit viel Beifall honoriert wurde. Auf einem Big-Bike unterwegs war der schon am Ellbogen lädierte Dyer vom Pech verfolgt: Bei der Landung am Big Drop riss ihm ein Kurbelarm ab und sein Fuss wurde in Mitleidenschaft gezogen – der Contest war somit endgültig für ihn gelaufen.. Weitere Highlights am Vormittag waren Lance McDermott’s Frontflip am letzten Dirt und Andreu Lacondeguys schön durchgestreckter Superman auf die Braun Box.
Dann unterbrach ein starker Regenschauer die Qualifikation und der Kurs musste zunächst noch etwas präpariert werden, um die Sicherheit der Fahrer zu gewährleisten. Der Moderator rief dann eine mehrstündige Mittagspause aus (in der natürlich die ganze Zeit gutes Wetter war…) und alle Leute konnten erst mal die Expo-Area am Hauptmarkt genauer betrachten oder sich anderweitig beschäftigen. Von 14 bis 15 Uhr wurde wieder auf dem abgetrockneten Kurs trainiert, was besonders Carlo Dieckmann aus Berlin nutze, denn er musste noch seinen zweiten Quali-Run hinter sich bringen und hatte als letzter die Chance sich für die Finals zu qualifizieren. Die Jugdes hatten kurz zuvor verkünden lassen, dass die ersten 9 Startplätze schon vergeben waren. Für Carlo galt es nun den stark fahrenden Kyle Strait/USA vom zehnten Rang zu verdrängen, was wirklich eine denkbar schwere Aufgabe ist.
Leider hat er es nicht gepackt, ein verbockter 270er Alley Oop und fehlende Tailwhips (die er eigentlich beherrscht – Backflips zieht ja mittlerweile fast jeder..) waren wohl der Grund dafür.
Kurz darauf setzte wieder ein starker Regenschauer ein – zum Leidwesen der Zuschauer, die noch schnell versuchten Schutz vor den vom Himmel fallenden Wassermassen zu finden.
Nach zu langer Beratungs- und Wartezeit ging es dann auch irgendwann endlich mit den Finals los. Die Fahrer hatten in Absprache mit der Jury beschlossen die Drops aufgrund der nassen Landerampe in Kombination mit den hohen Geschwindigkeiten wegzulassen und in der Landung des Big Drops zu starten. Sie lieferten den Menschenmassen (laut Moderator 30.000, im Internet ist offiziell die Rede von 45.000 Menschen an den Tagen des District Rides…) eine super Show, die jedoch nach dem ersten Final Run von erneutem Regen beendet wurde. Der zweite Lauf fiel also sprichwörtlich ins Wasser und so zählten die Ergebnisse des ersten Laufes als Endergebnisse. Dies geschah zum Bedauern vieler Bike-Fans, denn sie wussten, dass die Fahrer noch nicht alles gezeigt hatten – erfahrungsgemäß werden die krassesten Moves von ihnen erst im zweiten Final-Run ausgepackt. So bekam man diesmal nicht Paul B.’s 360er Tailwhip und seinen Tailwhip-Drop zu sehen, den er schon beim ersten District Ride in Sizilien vor drei Wochen gezeigt hatte. Auch die Flipwhip-Versuche von Andreu Lacondeguy/SP und Lance McDermotts Flairs und seine neu gelernten Frontflip-Variationen blieben aus. Aber egal, es war trotzdem eine super Show, an deren Ende der 20-jährige Sunny-Boy aus Kalifornien Cam McCaul ganz oben auf dem Siegerpodest stand. Die Highlights in seinem Lauf waren sicherlich der Xup vom grossen Drop, der leicht schräge Backflip den StepDown im Downtown District hinunter, die Barrel-Roll über die Jump-Box im Street District, der 360er Drop von der BraunBox und seine Show in der Dirt-Line: Einem Superman Seatgrab Indian Air folgte eine Nofoot-CanCan und ein Tailwhip am letzten Hügel. Platz 2 ging verdienterweise an Paul Bas, der somit die Gesamtwertung für sich entscheiden konnte, nachdem er den ersten District Ride in Sizilien als Sieger beendet hatte. Sein Lauf war dem von Cam sehr ähnlich, nur vielleicht nicht ganz so verspielt. Er hatte wohl auf den zweiten Lauf spekuliert, in dem er sicherlich noch seine Hardcore Signature Tricks rausgehauen hätte (360er Tailwhip und der Tailwhip-Drop…!). Den dritten Platz schnappte sich Darren “Bearclaw” Berrecloth, der mit seinen smoothen 360ern, dem Big Drop und einem beeindruckendem Tailwhip zu begeistern wusste.
Weitere Top-Moves, die während des Finales zu bestaunen waren:
– Kyle Strait/USA zeigte am letzten Dirt einen Double Tailwhip und hätte ihn beinahe sauber gestanden – und das obwohl ihm eigentlich etwas Schwung fehlte.
– Sehr langsam rotierte Andreu Lacondeguy/SP seinen Backflip am Stepdown – einen super Style legte der Spanier dann noch bei seinem Tailwhip über die Jump Box und dem Flip am ersten Dirthügel an den Tag. Leider crashte er am letzen Double, beim 360er Versuch mit zu wenig Geschwindigkeit.
– Einen seiner Backflips verzierte Timo Pritzel/GER mit einem TableTop und musste nachher in der Dirtline nach Flip über den ersten Hügel am letzten Sprung das Bike verlassen und somit einen Ghostrider zeigen…
– Schöne Steigerungen im Vergleich zur Quali konnte man bei Gee Atherton/GB und Amir Kabbani/GER beobachten, die beide 360er Drops von der Braun Box sprangen, wobei Ersterer diesen Move im Training kurz zuvor probiert hatte und Amir gleich mal darraus einen 360er Xup Drop zauberte…
– Als einziger Fahrer konnte Lance McDermott einen Backflip Look Down in seinem Run vorweisen. In den Dirts hatte jedoch einen HangUp und der sehnlichst erwartete Frontflip bieb somit aus.
Party, Progression und die Protektoren-Frage…
Am Samstagabend stieg im BA Hotel noch die obligatorische After-Show Party, bei der auch die meisten der Fahrer mitmischten. Der Eintrittspreis war mit 5 Euro in Ordnung, die Location ganz nett und es gab viele schöne Frauen zu bewundern. In der kleinen Area herrschte eine richtig ansteckende Stimmung und es wurde getanzt bis zum Umfallen. In der anderen Area hingen die Bikes an der Decke und es wurden Extremsport Videos an die Wand projeziert. Darren Berrecloth wurde seinem Ruf als laut und direkt gerecht und so wurden er und seine Kumpanen prompt vom Türsteher vor die Tür gesetzt (“Don’t care about him, he’s german” – so wurde beruhigend auf ihn eingeredet..). Der District Ride-Sieger Cam McCaul hingegen widmete sich derweil lieber dem schönen Geschlecht…
Das schöne an der noch jungen Sportart des Freeridens ist, dass sie sehr progressiv ist und man jedes Jahr neue Moves beobachten kann. Im letzten Jahr war der 360er Drop ein absoluter Winner-Move, dieses mal sprangen ihn über 6 Fahrer und Amir Kabbani kombinierte ihn sogar mit einem Xup. Der Brite Lance McDermott mischt das Fahrerfeld bei Slopestyle-Wettkämpfen mit seinen Flairs, Handplant-360ern und Frontflips auf und der ebenfalls mit BMX-Background fahrende Andreu Lacondeguy kann mit seinen 17 Lenzen schon eine enorme Trick-Vielfalt aufweisen.
Schön zu sehen, dass die Inspiration durch die BMXer den Freeride-Sport immer weiter vorantreibt. Ebenfalls von den coolen Jungs mit den kleinen Rädern stammt jedoch auch der Verzicht auf Protektoren. Lediglich mit Halbschalen-Helm auf dem Kopf und Knieschoner unter der Baggy lassen sich die Freerider von 6 Meter Drops im 360er oder Tailwhip hinunter. Sogar auf Handschuhe wird teilweise verzichtet! Viele Narben an Ellbogen und Unterarm zeugen vom sturzreichen Alltag der Pros (z.B. wenn neue Tricks probiert werden), an die Idee sich mit Schonern zu schützen kommt kaum einer der Fahrer. Cam McCaul hat die ganzen Wunden wohl satt und hatte in Nürnberg meistens Armschoner an, Bearclaw hingegen zog seine Ellbogen-Protektoren für das Finale lieber wieder aus..?! Die von ausnahmslos allen Fahrern getragenen Skater-Helme waren häufig zu groß und saßen dazu noch ziemlich schief auf dem Kopf – richtig fixiert waren sie ebenfalls selten. Schicke Wunden im Gesicht trugen dieses mal die beiden Deutschen Taulan Dernbach und Joscha Forstreuther davon…
Video vom Best-Trick-Contest:
Die Fahrer sind alt genug, um so etwas selber zu entscheiden, jedoch sind sie in der Situation, dass sie für viele Kids eine gewisse Vorbildsfunktion haben. Und diese haben nicht das Fahrkönnen und die Erfahrung der Profis, da können Stürze auch schlimmere Folgen mit sich bringen (Stichworte schwere Gesichtsverletzungen, Ellbogenfraktur usw…). Eine Diskussion über eventuelle Protektoren- und Vollhelm-Pflicht ist bereits im Gange und erhitzt die Gemüter vieler Mountainbiker. Es ist schwer zu sagen, ob man so etwas überhaupt reglementieren kann – es handelt sich halt um eine Freestyle-Sportart und die Fahrer würden sich gegen einen Eingriff in ihre Entscheidungsfreiheit wehren. Außerdem müssen sie ja stets cool aussehen und den Street-Lifestyle ausleben (Klamotten-Labels sponsern sämtliche Fahrer), da passt ein Full-Face Helm und Protektoren, die die Muskeln verdecken nicht dazu…
That’s a wrap – Ride Always!
Nissan Qashqai Urban Challenge Köln 2007
Nachdem Red Bull den beliebten District Ride in Nürnberg nach zwei erfolgreichen Jahre in den Ruhestand geschickt hatte, war klar, dass ein geeigneter Ersatz gefunden werden musste. Mit einem finanzkräftigen Sponsor im Rücken entschied sich Freeride-Organisator Tarek Rasouli aus dem Ganzen eine europäische Event-Serie zu formen. Dabei wurden vier Metropolen ausgewählt, in denen dann jeweils eine Disziplin urbanen Mountainbikens ausgetragen werden sollte. Den Beginn machte Newcastle mit einem innovativen North-Shore-Parcour, der jedoch für viele zu New-School-lastig angelegt worden ist. Danach folgten Mailand (Dirt) und Madrid (Street). Bevor es zum letzten Stopp der Tour in Paris gehen sollte (Big Air), stand noch die aus dem BMX-Bereich bekannte Disziplin “Park“ auf dem Programm. Tarek und seine Crew hatten dazu den Mediapark in Köln als Austragungsort des Spektakels auserkoren. Da Nordrhein-Westfalen mit seinen vielen Bike-Regionen auch von der Zielgruppe interessant zu sein schien, erhoffte man sich zahlreich erscheinende Zuschauer.
Die Events in Nürnberg hatten gezeigt, wie diese noch sehr frische Sportart die Menschen begeistern kann. Jedoch herrschten in der Frankenmetropole ganz andere Umstände als in der ansonsten für partywütige Leute bekannten Domstadt. Denn während beim District Ride ein vielseitiger Kurs von der Burg hinab bis zum Christkindlmarkt den Fahrern alles abverlangte, wurde in Köln lediglich ein überdimensionierter BMX-/Streetpark aufgestellt. Desweiteren war mit dem Mediapark eine etwas außerhalb des Epizentrums der Innenstadt liegende Location ausgewählt worden. Im Vergleich zu Nürnberg blieben somit viel weniger Schaulustige an der Strecke stehen, um den verrückten Bikern bei ihrem wilden Treiben zuzuschauen. Obwohl der Event in den lokalen Medien und auf Bannern beworben wurde, blieben die Bike-Fans größtenteils unter sich. Das wäre ja an sich kein Problem gewesen, wenn der Kurs nicht auch noch sehr zuschauerunfreundlich gebaut worden wäre. Die große Jumpbox baute sich schön sperrig direkt vor der für das „normale“ Publikum vorgesehen Seite auf, während die ziemlich große VIP-Bühne etwas erhöht auf der gegenüberliegenden Seite errichtet worden war. Diese ärgerliche Tatsache führte dazu, dass man häufig nicht sehen konnte, was die Fahrer in der Mitte des Parks auf den Holzhindernissen an Tricks abspulen. Dazu kam noch, dass die Security-Leute es verboten sich auf die 60cm-Mauerabsätze zu stellen, z.B.: um gut filmen zu können. Am ersten Tag durften Kinder noch auf der Mauer stehen, am zweiten Tag nicht mehr. Die wirklich proletenhaften Türstehertypen waren also unentwegt damit beschäftigt Leute von der Mauer weg zu kommandieren. Das ganze Schauspiel geriet mit der Zeit zu einer lächerlichen Farce. Doch genug erstmal zu den organisatorischen Mängeln, kommen wir zu den erfreulichen Dingen dieses Events. Trotz enorm schlechter Wettervorhersage blieb das Wetter bis auf zwei kurze Schauer stabil, es schaute sogar einige Male die Sonne hervor. Eine Folge davon war, dass man am zweiten Tag einige hoch errötete Köpfe sehen konnte.
Ein schönes Video aus Kölle:
Im Training machten sich die Fahrer sich erst einmal mit dem auch unter ihnen sehr umstrittenem Kurs vertraut. Neben dem Konzept des Kurses an sich, störten sich einige Rider auch an den gewöhnungsbedürftigen Shape mancher Obstacles. Es kam sogar teilweise so weit, dass einzelne Fahrer aus Frust eher rumwitzelten, anstatt sich auf den Contest vorzubereiten (Kyle Strait, Andreu Lacondeguy, der mit zerissenem Shirt ohne Tricks über die Jumpbox flog..). Andere “Big Names“ wie Darren Berrecloth oder Paul Basagoitia hingegen akzeptierten die Umstände schnell und konzentrierten sich auf ihre Tricks, die sie nun an den verschiedenen Sprüngen übten. Ein besonders in Europa bisher unbekanntes Gesicht ging in dem eher technischem Kurs ungewöhnlich Big: JD Swanguen fiel nicht nur durch seinen auffälligen Klamotten-Style auf, sondern demonstrierte mit enorm großen Transfers, dass er sich nicht zu schade ist Big zu gehen. Dabei stylte er noch nebenbei derbe ab und stellte unter Beweis, dass sein Sieg beim Rays 3Ride in Übersee keine Eintagsfliege war. Die Jump-Box wurde von Greg Watts nach kurzer Zeit im Backflip überwunden, schnell zogen andere nach u.a. Damjan Siriski und Amir Kabbani. Der Newcomer 2006 aus Boppard schien nicht in Bestform zu sein, vielleicht gefiel ihm der Kurs auch nicht sonderlich. Aus deutscher Sicht war es natürlich schön zu sehen, dass 5 Fahrer aus “Good Old Germany“ im hochklassig besetzten Starterfeld mitmischen durften: Hendrik Tafel, Pierre Grawitter, Marius Hoppensack als auch die beiden Slopestyle-Asse Carlo Dieckmann und Amir Kabbani. Bei einem unglücklichem Zusammenstoß mit Greg Watts musste Carlos Schienbein jedoch auf unangenehme Art Bekanntschaft mit den Pedalen des Kaliforniers machen. Der in Berlin lebende The-Cut-Teamfahrer war somit frühzeitig draußen und konzentrierte sich erstmal auf die zu erledigende Pressearbeit. Für die auf dem Kursgelände arbeitenden Filmer und Fotografen war es eine ziemliche Aufgabe in dem Gewirr aus trainierenden Fahrern nicht angefahren zu werden und gleichzeitig tolle Bilder zu knipsen. Während im Training die krassesten Trick-Kombinationen noch nicht zu sehen waren, erhoffte man sich eine deutliche Steigerung in den Finals. Dennoch hatte man das Gefühl, dass die Jungs wegen der harten Holzlandungen die gewagtesten Stunts nicht zeigen würden. Wie bei den vorigen Stopps der Qashqai Tour wurde am Vorabend des Hauptwettkampfs der Best Trick Contest ausgetragen. Alle waren gespannt was der Sieger dieses Formats in Madrid, Adam Hauck von der US Westküste, in seinem Run anstellen wird, um das begehrte Preisgeld abzusahnen. Wie erwartet demonstrierte er seine Stärke für technisches Biken der Extraklasse, doch für einen weiteren Sieg reichte es nicht. Da gab es nämlich noch jemanden, der im Skatepark abgeht, wie sonst kaum ein anderer: Lance McDermott hatte auch bei anderen Events demonstriert, dass er für so manch eine Überraschung gut ist. Mit einem sauberen Handplant-360er konnte er die Jugdes überzeugen und schnappte sich nach mehreren Teilnahmen verdienterweise den Best Trick Preis. Der Münchener Benny Korthaus zeigte stylische Flairs, sein BMX-Hintergrund war dabei nicht zu übersehen. Man hatte jedoch nicht nur bei ihm aufgrund mehrerer Reifen- und Laufraddefekte den Eindruck, dass die Fahrer zwar ein enorm hohes Trick-Level erreicht haben, jedoch noch an den konstant sauberen Ausführungen ihrer Manöver arbeiten müssen.
Am Tag darauf hing die düstere Wettervorhersage über der Veranstaltung wie ein Damokles-Schwert. Die Organisation arbeitete eng mit den lokalen Radiosendern zusammen (z.B. bei der Werbung), deren Wetterdienste für Mittags heftige Gewitter vorausgesagt haben. Daraufhin entschied man sich während des Trainings den Zeitplan um ein paar Stunden vorzuziehen. Dies hatte für einige Fans die unangenehme Konsequenz, dass sie erst vor Ort auftauchten, als der Contest schon gelaufen war. Dass das Wetter dann doch stabil geblieben ist, konnten die Veranstalter nicht erahnen und taten auch angesichts des bei Nässe unfahrbaren Holz-Kurses das Richtige. Die schon am frühen Vormittag anwesenden Fans erlebten also ein wirklich spektakuläres Programm, welches sich vom Training bis zum Finale stetig weiter steigerte. Bisweilen konnte man seinen Augen kaum trauen, wenn einer der Spitzenfahrer noch eine Schippe drauflegte und das Trick-Level weiter zu steigern wusste. Zu diesen Spezis gehörten Paul Basagoitia (Kona), Lance McDermott, Benny Korthaus & Darren Berrecloth (Beide Specialized). Cam McCaul (Trek) hinterließ zwar auch einen starken Eindruck, war wohl auch etwas vom Kurs enttäuscht. Seinen Frust über die Holzkonstruktionen äußerte der junge Kanadier Ryder Kasprick in seinem Blog mit dem Credo „Mountainbiker gehören in die Berge“. Er hatte sich bei einem verpatzen Tailwhip-Drop das Knie geshreddet und war von da an zum Zuschauen verdammt. Halten wir uns nun trotz aller Kritik lieber an Ben Boykos Statement zu dem ganzen Theater: “Ist doch eine super Show“. Was die Top-Pros im Finale zeigten, ließ viele Zuschauer sich ungläubig die Augen reiben. Angestachelt durch die Aussicht auf ein im Freeride-Sport bisher so noch nie da gewesenes Preisgeld versuchte jeder noch eine Schaufel drauf zu legen und die Läufe der vorigen Fahrer zu übertrumpfen. Nachdem Ben Boyko und Benny Korthaus über die große Box fleißig 360 Tailwhips und dergleichen in den Kölner Luftraum gewirbelt hatten, ließ sich der Favorit auf den Gesamtsieg, Paul Basagoitia, nicht lumpen und versuchte einen der schwierigsten Tricks: Einen Flip Whip über hartes Holz und Beton zu ziehen ist schon nicht ohne, vor allem wenn er so sauber gelingt. Auch sonst als eher unkonventiell bekannt, wählte der junge Ami aus Nevada statt der Step-Down-Variante am Drop eine neue Linie: Vom Startpunkt ging es für ihn mit Minimal-Anlauf hinunter in eine steile Quarter, die somit als Landehügel herhalten musste. “Ich wollte ein bisschen Mountainbike-Flavour in meinen Lauf bringen“ kommentierte er später seine waghalsige Aktion. Neu in seiner Trick-Sammlung ist mittlerweile auch der Flair, welchen er auch gleich in seinen Lauf eingebaut hat. Eine ähnlich vielseitige Trick- und Obstacle-Wahl legte Darren “The Claw“ Berrecloth an den Tag: Mit einem 360 Table Top vom Step-Down-Drop eröffnete er sein mit gewagten Transfers und technischen Spielereien gespickten Lauf, um diesen mit einem spektakulären 360 Tailtap über das hohe Handrail zu beenden. Nun konnte die Lance-Dermott-Show beginnen: Mit viel Selbstvertrauen im Rücken packte der 20-Jährige Brite noch einmal alles aus, was er zu bieten hatte. Sein Signature-Frontlip über die große Box animierte das Publikum zu Jubelausbrüchen und sein schon beim Best-Trick-Contest perfekt ausgeführter 360 Handplant über die Spine, bescherte ihm ordentlich Punkte bei den Jugdes. Am Ende hat er sich in meinen Augen seinen ersten großen Sieg auf internationaler Ebene mehr als verdient. Die beiden Gesamtsieg-Aspiranten Darren Bearclaw und Paul Bas wurden in Köln also auf den Zweiten und Dritten Rang verwiesen. Dies bedeutete für den letzten Stopp der Qashqai-Serie in Paris noch einmal Hochspannung im Kampf um den hoch dotierten Gesamtsieg (Anm.d.Red.: Mit einem Minimal-Vorsprung gewann Bearclaw die 50,000 € Siegesprämie).
Alle Bilder & Texte: Marc Brodesser @ mtb-zeit.de
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