Biken ist immer noch eine von Männern dominierte Sportart, doch die Zahl der MTB-begeisterten Mädels steigt stets weiter an. Als Gründerin von Girlsridetoo.de und WOMB-Kurvenreich-Redakteurin weiss Judith Lell aka “Jule”, was Frauen wollen. In unserem Interview erzählt sie von billigen Lady-Bikes, Frauen im Bikepark und ihren weiteren Plänen.
Hi Jule! Erzähl uns bitte kurz etwas zu deiner Person.
Ich heiße eigentlich Judith Lell, aber alle nennen mich nur “Jule”. Ich bin ein echtes “Münchner Kindl” und eine absolute Bergziege: Biken, Bergsteigen, Skifahren, etc. – einfach alles, was man in den Bergen so treiben kann, bringt meine Schmetterlinge im Bauch zum Flattern.
Viele MTB-Ladies sind durch ihren Partner zum Bike-Sport gekommen. Wie bist du zur Geländeradlerin geworden?
Also, ich gestehe: Bei mir war das auch ein wenig so – allerdings gilt das erst für die wirkliche Bike-Virus-Infektion. Zuvor war ich schon öfters mit Freunden aus meiner Skifahrer-Clique mit dem MTB unterwegs, die sich eines Sommers plötzlich auf dieses neumodische Bikezeugs schwangen und statt auf den Gletscher plötzlich an „den See“ fuhren. Da hieß es immer: “Komm, fahr doch mal mit, probier es doch wenigstens einmal!” – Was ich dann schließlich auch tat – und erstmal auch gar nicht so abgeneigt war. Aber damals hieß Biken noch Gardasee… Und Gardasee hieß für mich entweder einmal Arco und zurück oder rauf schieben, runter schieben. Der richtige Spaß – und dann das plötzliche Bike-Fieber kamen bei mir auf einem Schlag mit einem neuen Partner, der mit mir gleich mal auf eine Transalp-Tour gegangen ist. Wenig später hat er mich dann zum ersten Marathon angemeldet…
Wann und wie entstand die Idee zu “Girlsridetoo.de”?
Eigentlich war das erst einmal meine persönliche Website, um mich und meine Rennergebnisse vorzustellen. Denn damals war ich gerade auf der Suche nach einem neuen Team. Doch schon beim Erstellen der Seite merkte ich, dass mich eigentlich andere Themen viel mehr interessierten und dass ich eigentlich gar nicht so viel von mir, als vielmehr ÜBER etwas erzählen wollte. Denn immer wenn ich mit dem Rennrad oder meinem Bike unterwegs war, fiel mir auf, dass mir stets nur Männergruppen, mit vielleicht mal einer Quoten-Frau im Schlepptau entgegen kamen. Ansonsten war ich auf weiter Flur alleine unterwegs. Das fand ich total schade und beschloss, dagegen etwas zu tun. Irgendjemand muss den Mädels ja mal erzählen, wie viel Spaß das Biken macht! Und irgendjemand der Industrie, dass es uns auch gibt und dass es doch bitteschön herrlich wäre, ein passendes Trikot in Gr. S zu finden. So hab ich dann die Seite ganz schnell wieder umgebaut – und stückchenweise mit speziellen Inhalten für Bikerinnen befüllt. Damals ahnte ich noch nicht, wie groß das Ganze mal werden sollte…
Wie haben dir zu dieser Zeit die Lady-Specials in den Printmagazinen gefallen?
Ja, das ging damals gerade los. Auf der einen Seite hab ich mich gefreut, dass wir überhaupt mal als Zielgruppe wahrgenommen wurden. Auf der anderen Seite mich aber zugleich immer gefragt, warum wir eigene Seiten brauchen und warum wir nicht einfach ganz unkompliziert ins „normale“ Magazin mit aufgenommen wurden. Also zum Beispiel warum bei einem Hosentest nicht einfach nebeneinander Männer- und Damenmodelle vorgestellt wurden, oder bei einer Fotostrecke eben auch mal Bikerinnen statt der immer gleichen haarigen Beine zu sehen waren. Vielleicht war es aber auch einfach der richtige Einstieg, ein vorsichtiges Herantasten von den Magazinen. Inzwischen haben die meisten ja diese eigenen Seiten auch schon wieder aufgelöst und sind nun langsam auf dem Weg, den ich mir gewünscht hatte. Aber es noch immer viel zu tun. Wir Bikerinnen sind – leider – immer noch eine Randgruppe in den Medien.
Was hat es mit der WOMB und meiner Mitarbeit am Kurvenreich auf sich?
Ende 2011 kam die Anna von der Redaktion des Bike-Magazins “World of MTB” auf mich zu – mit einer aufregenden Idee: Ein neues “Heft im Heft” hatte sich das Redaktionsteam ausgedacht: das KURVENREICH – 20 Seiten jeden Monat nur für Bikerinnen! Wow! Und ich sollte im Redaktionsteam dabei sein – was eine Ehre! Klar, hab ich da sofort zugesagt. Gesagt getan. Seit Frühjahr 2012 befülle ich nun für jede Ausgabe zwei Doppelseiten (manchmal werdens auch 3, wenn ich es einfach mal wieder nicht schaffe, mich kurz zu fassen ;-)), zwei davon mit dem “Monatsfrauen-Interview”, das es auf GIRLSRIDETOO.DE ja schon länger gibt, und zwei mit dem Rennfieber-Forum, in dem ich die verschiedensten Fragen rund ums Thema Rennenfahren beantworte. Auch sonst darf ich immer mal wieder mit zu Biketests, auf Fotoreportage oder Anna lädt mich zum Brainstormen neuer Ideen ein. Es ist toll, an etwas so Schönem wie dem Kurvenreich mitwirken zu dürfen. Denn das sind endlich mal nicht nur so Mädels-Alibi-Seiten, wie es bei anderen Magazinen oft der Fall war (nicht umsonst sind sie dort längst wieder verschwunden); die Kurvenreich-Seiten sind von echten Bikerinnen für Bikerinnen gemacht wird – und das erkennt man. Frauen finden darin viele interessante Infos, Geschichten und schöne Bilder – oft auch mit einer kleinen Prise (Selbst)Humor. Umso mehr freue ich mich, dass die World of MTB nun auch Titelsponsors des GIRLSRIDETOO.DE-Rennteams ist, das somit ab sofort Team WOMB GIRLSRIDETOO.DE heißt und vom Braun-Grünen- zu Braun-Blauen-Look gewechselt hat!
Was macht Girlsridetoo.de deiner Ansicht nach aus, dass es so beliebt bei den Mädels ist?
Ich höre oft das Lob, dass auf Girlsridetoo.de Bikerinnen endlich mal ernst genommen werden – ohne “Chi-chi und Chu-Chu”, ohne Rosa und bunten Blümchen oder Schnörkelchen… Und es hieß stellenweise auch, dass die unglaubliche Freude und Begeisterung fürs Biken von uns „Macherinnen“ so spürbar rüber kommt und zugleich auch ansteckend ist. Sowas zu hören, freut mich natürlich sehr. Denn genau das wollen wir ja erreichen. Zugleich ist es der einzige „Online-Raum“, in dem Bikerinnen mal unter sich sein können, sich finden und kennen lernen und vor allem austauschen können, ohne, dass jemand rein redet oder blöde Kommentare abgibt. Daher ist gerade unser Forum meiner Meinung nach so erfolgreich. Zudem finden die Mädels natürlich bei uns alle Infos zu ihrem Lieblingssport, ohne sich diese erst mühselig an den verschiedensten Stellen zusammen suchen zu müssen.
Bei welchen Produkten im Bike-Bereich hältst du spezielle Lady-Sachen für sinnvoll und wann wird erscheint es dir sinnlos?
Klar, über Bike-Bekleidung und Accessoires für Frauen brauchen wir nicht reden. Die muss einfach passen und unseren Geschmack treffen. Aber da gibt es ja inzwischen auch eine unendliche Auswahl. Und spezielle Lady-Bikes machen meiner Ansicht nach schon Sinn – einfach, weil sie die Vielfalt und die Wahlmöglichkeiten, gerade für kleine Frauen, erhöhen. Was ich aber besonders wichtig finde, sind die kleinen Details, die uns das Bikerinnen-Leben so viel leichter machen: Der Bremshebel, den ich näher an den Griff stellen und so besser mit kleinen Händen erreichen kann, oder Federelemente, die sich gut und einfach auf mein geringes Gewicht einstellen lassen. Man mag es kaum glauben – aber das findet sich selbst bei Lady-Bikes noch recht selten.
Lady-Bikes gibt es schon länger, trotzdem fahren viele Mädels mit eher die normalen Modelle. Was muss deiner Meinung nach an den Lady-Mountainbikes geändert werden, dass sie noch mehr Anhängerinnen finden?
Ich glaube, das liegt vor allem daran, dass viele Lady-Bikes immer noch eher schwer und minderwertig gegenüber den „Männermodellen“ ausgestattet sind. Blümchen und preiswerte Parts drauf – und schon ist es ein Lady-Bike. Leider scheint es fast so, als hätte sich der Trend hin zu hochwertigeren Bikes auch für Frauen wieder umgedreht. Was es dieses Jahr auf der Eurobike zu sehen gar, war fast ein wenig erschreckend: Die wenigen Top-Bikes für Frauen wurden aus den Sortimenten wieder herausgenommen, übrig geblieben sind eher die preiswerten Bikes mit allerhöchsten Mittelklasse Ausstattung – und das dann in der Regel auch noch zu höheren Preisen als vergleiche bare „Uni-Sex-Modell“. Schade, dass die Hersteller dem Thema nicht ein wenig Zeit zum Wachsen gegönnt haben. Aber es braucht ja auch nicht jede Frau ein Lady-Bike, sondern einfach eines, das ihr passt und ihr gefällt. Ob das dann das Ladymodell ist, hängt sehr stark von der individuellen Körpergröße und vom Körperbau ab. Und über Geschmack lässt sich ja eh nicht streiten, von daher lässt sich die Frage „Blümchen oder nicht?“ wohl endlos diskutieren. Wie gesagt: Ich finde es klasse, wenn es eine Auswahl gibt und jede Bikerin das finden kann, was ihr gefällt und passt. Wenn es dann auch noch hochwertige Lady-Bikes gibt (was ja inzwischen der Fall ist), die auch die etwas sportlichere und ambitioniertere Bikerin ansprechen, dann bewegt sich das schon in die richtige Richtung. Ich fände es klasse, wenn es eine möglichst große Auswahl gibt und jede Bikerin das finden kann, was ihr gefällt und passt.
Fährst du ein Lady-Bike oder ein normales MTB-Modell?
Ich bin groß genug für „normale“ Rahmen und fahre daher bis dato kein Lady-Bike. Allerdings ärgere ich mich oft, dass ich bei meinen Bikes die Federung nicht richtig auf mein geringes Gewicht einstellen kann – von daher schau ich mich auf der Suche nach einem neuen Spaßbike für die kommende Saison vielleicht doch mal unter den Lady-Bikes um.
Wie hoch siehst du den Anteil der technisch stärker interessierten Bikerinnen bei Girlsridetoo.de?
Puh, das ist eine schwere Frage. Ich würde sagen, solche Bikerinnen sind existent, aber ihr Anteil ist nicht gerade riesig. Wir haben gerade im Forum schon eine kleine Gemeinde, die gerne und häufig über Parts und Tuning-Tipps konferiert und hier den Männern wohl in nichts nach stehen. Aber die echten Schrauberinnen, die gibt es, glaube ich nicht so häufig.
Whistler in Kanada gilt als Mekka für Bike-Ladies, deren Anteil dort jährlich steigt. Was muss an unseren Bikeparks gemacht, werden, dass sich dort auch immer mehr Mädels austoben?
Ich kann mich noch gut an mein erstes Mal im Bikepark erinnern. Das war 2009 im Mottolino-Bikepark in Livigno – und ich hatte, ehrlich gesagt, zuvor ganz schön Respekt, wenn nicht sogar Schiss davor, mich a) völlig lächerlich zu machen, b) dauernd jemandem im Weg zu stehen und c) selbst auf der einfachsten Strecke mein Bike noch tragen zu müssen. Zum Glück, hat sich kein einziger der drei Punkte bewahrheitet. Im Gegenteil: Es war einfach nur ein Mordsspaß! Denn es fuhr außer uns kaum jemand im Park, sodass gerade die leichten Tracks quasi menschenleer waren. Und wenn wir dort doch mal jemandem begegnet sind, haben sich die – männlichen- Biker entweder nicht besser angestellt als wir und/oder total gefreut, mal eine Frau im Park zu sehen. Was ich sagen will: Ich glaube, das hängt viel mit dem Image zusammen, den Bikeparks bei uns Mädels haben. Frauen denken sicher oft so wie ich: Zum Beispiel, dass dort nur supercoole Cracks abhängen, die nix besseres zu tun haben, als sich über zitternde Anfängerinnen lustig zu machen und dass die Strecke alle extrem schwer und mit Sprüngen und Northshore-Elementen gespickt sind. Deshalb: Je mehr leichte Strecken es gibt, um sich mal langsam an das Thema ran zu tasten, je besser und entspannter die Stimmung ist, je mehr Platz man hat (Ausweichstellen, etc.) – und je mehr das auch kommuniziert wird – umso mehr werden Bikeparks auch zum Sehnsuchtsgebiet für Bikerinnen. Denn wenn man einmal gemerkt hat, dass man nirgendwo sonst so geniale Übungsstrecken hat, die ja extra für Biker angelegt wurden – dann ist auch Frau nicht mehr zu halten!
Mit “Awesome Lands – Women Of Dirt” kam im Frühjahr 2011 der erste reine Lady-Bikefilm auf den Markt. Hat das die Szene gebraucht und wann wird es so etwas auch in Deutschland geben?
Gegenfrage: Warum sollte es so etwas nicht geben? Auch hier wieder die Frage: Warum denken wir so in Grenzen und Kategorien? Ist doch eine coole Sache und ich kann nur hoffen, dass es bald viel mehr Filme von Bikerinnen, mit Bikerinnen, mit Bikern und Bikerinnen aus Deutschland, den USA, Italien, Spanien, Usbekistan und so weiter geben wird. Vielfalt ist das Thema. Umso bunter wird doch das Leben, oder?
Du hast auch schon Girlsridetoo-Events angeboten. Was sind deine Pläne mit Girlsridetoo.de – wird es vielleicht mal ein Rennteam im Breitensport von euch geben?
Ja, inzwischen haben wir unseren Traum tatsächlich wahr gemacht und letztes Jahr ein eigenes Hobby-Rennteam gegründet. Natürlich ist es ein reines Frauenteam – 13, dieses Jahr sogar 15 Fahrerinnen aus allen Disziplinen – von XC & MA bis hin zu Enduro und DH. Dabei geht’s uns rein um den Spaß an der Freude und um eine tolle Gemeinschaft – Leistungsdruck gibt’s bei uns nicht! Unser Ziel: Frauen mehr Appetit fürs Rennenfahren zu machen! Und das ist uns letztes Jahr, glaube ich, auch schon ganz gut gelungen … . Daneben ist unser beliebter Bike-Ausflug, das „GIRLSRIDETOO.DE gets out“, schon eine feste Institution im Event-Kalender geworden und geht 2013 in die 5. Auflage.
Zu guter Letzt müssen und wollen wir das Portal im neuen Jahr mal wieder aufräumen – „Frühjahresputz“ ist angesagt: Eine neue, hoffentlich etwas übersichtlichere Struktur, alte Inhalte raus, neue rein, neue Funktionen, neue Partnerschaften… Und natürlich haben wir noch eine ganze Menge weiterer Ideen, die wir peu à peu auf www.girlsridetoo.de verraten werden… Was ich gerne noch verstärken möchte, ist der Austausch mit der Industrie. Es wäre doch toll, wenn Bikerinnen und Hersteller gemeinsam Hand in Hand die Produkte entwickeln würden, die wirklich gewünscht und benötigt werden – und wenn wir hier seitens Girlsridetoo.de als Schnittstelle den Kontakt herstellen und den Austausch ermöglichen könnten! Auch so ein Traum von mir…
Danke für das Interview und viel Spaß auf deinem Bike weiterhin!
Weblinks : www.girlsridetoo.de /// Facebook-Page Girlsridetoo.de
Interviewfragen: Marc Brodesser @ mtb-zeit.de /// Dieses Interview erschien bereits mtb-news.de
[…] GIRLSRIDETOO.DE-Gründerin Judith Lell-Wagener, die 3. im Bund der Organisatorinnen, kann es kaum erwarten und freut sich schon mächtig auf die Neuauflage: „Es ist einfach unglaublich, wie unser Konzept – die Mädels parallel zum Online-Forum auch im echten Leben zusammenzubringen – jedes Mal aufs Neue wieder aufgeht“. Frauen gemeinsam und mal ohne Partner „ernsthaft“ zum Biken zu bringen und dabei natürlich jede Menge Spaß zu haben – das ist das erklärte Ziel des Events, das deswegen auch als Non-Profit-Ausflug und mit vollem Fokus auf entspanntes Biken konzipiert ist. Neben dem Hotel Palü unterstützen noch weitere Partner diesen ungewöhnlichen Ansatz: Rucksackhersteller Deuter, das junge Bikemode-Label ION und auch der Schweizer Funktionswäsche-Produzent X-BIONIC spendieren tolle „Goodies“, die das Event gleich noch ein Stückchen schöner machen. Noch sind ein paar der begehrten Plätze frei, doch wer dabei sein möchte sollte schnell sein, denn erfahrungsgemäß sind diese schnell weg. Weitere Detailinformationen und die Möglichkeit zur Anmeldung gibt es unter http://www.girlsridetoo.de oder direkt im Hotel Palü unter http://www.palue.ch. […]