Der Innsbruck-Local und Vertride-Vorreiter gehört zu den meistabgedruckten Fotofahrern – zuletzt war er mehrfach im TV, hier findet Ihr die Bergauf-Bergab-Doku mit Harald als Protagonisten! Der Litevill-Pilot bringt von seinen “Bergtouren” stets spektakuläre Video- und Fotoaufnahmen mit, wie sein Top-Video “SEA OF ROCK”. Für das mtb-zeit.de Interview löcherten wir den Ex-Siegener mit Fragen und versuchen ihn dadurch näher kennenzulernen.
Bergauf-Bergab-Doku mit Harald Philipp:
SEA OF ROCK – das Top-Video aus 2012 mt Harald als Fahrer:
SEA OF ROCK from infinite trails on Vimeo.
Harald in einer TV-Show über SEA OF ROCK:
(Interview in ähnlicher Form erschien auf mtb-news.de)
Stell dich kurz vor, wer bist Du?
Mein Name ist Harald Philipp, ich lebe in Innsbruck, Tirol und bin 28 Jahre alt.
Du bezeichnest dich selbst als Bikebergsteiger. Was ist „Bikebergsteigen“?
„Bikebergsteigen“ steht für Mountainbiking im alpinen und hochalpinen Gelände. Wir tragen unsere Bikes auf Gipfel hoch und fahren auf Pfaden und Steigen wieder runter. Also eigentlich sind wir Wanderer die keine Lust auf Abwärtsgehen haben… Bikebergsteigen ist noch ein ziemlich junges Ding und es gibt ganz unterschiedliche Facetten. Einige Biker stehen voll auf technische Schlüsselstellen. Sie sichern sich gegenseitig und versuchen jeden Meter zu Fahren ohne einen Fuss abzusetzten. Andere wollen die höchsten Gipfel erstbefahren und tragen ihre Bikes auf vergletscherte Viertausender hoch. Es gibt Bikebergsteiger die mit Downhillbikes fahren und andere, die auf leichte All-Mountain Räder setzen. Gemeinsam ist uns vor allem das Terrain. Die Alpen bieten uns als best- erschlossenstes Gebirge der Welt unzählige Möglichkeiten, neue und spannende Wege zu finden, und es gibt immer noch schöne Bikegipfel die noch kein Radfahrer gesehen hat!
Besonders bekannt sind deine Videos mit vielen Spitzkehren. Ist das Hinterradversetzen dein Lieblingsmove?
Spitzkehren findet man in den Alpen überall, sobald man die Standardrouten verlässt. Die Wege auf denen wir uns bewegen sind teilweise Jahrhunderte alt und offensichtlich für Fußgänger gemacht. Deshalb haben wir weniger Wellen und runde Kurven auf den Trails als die US-Biker, die fast ausschließlich auf gebauten Bikestrecken radeln. Alpenbiker müssen sich zwangsläufig mit Ecken, Kehren, Stufen und Absätzen anfreunden. Dadurch ergibt sich auch automatisch eine andere Fahrweise. Das Versetzen des Hinterrads ist kein Gimmik, sondern eine Notwendigkeit. Der flüssige Hinterrad-Lupfer mit rollendem Voderrad ist schon so ein Signature Ding von mir. Aber eher nicht, weil ich so sehr auf Kehren stehe, sondern weil ich sie möglichst schnell hinter mich bringen möchte.
Harald ist für das geschmeidige Meistern von Spitzkehren bekannt:
Wenn du deine Touren planst, suchst du dann nach möglichst technischen Wegen? Was ist dein favorisierter Streckentyp?
Während meiner ersten Jahre in Österreich habe ich viel Freude am Austüfteln von Top-Schwierigkeiten gehabt. Aber „Fahrfluss“ ist beim klassischen Vertriden tatsächlich ein Fremdwort. Irgendwo bei S-5 ist dann tatsächlich Schluss mit Fahren, da solche Sektionen meistens ziemlich abgründig sind und das Gelände kein „Ausprobieren“ zulässt. In den letzten paar Jahren hat sich meine Tourplanung daher auf ausgiebige Bergtouren mit hohen Gipfeln und spannenden Routen konzentriert. Statt einen bestimmten technischen Weg immer wieder zu probieren muss da spontan alles passen. Unterwegs freue ich mich über alles was mir unter die Stollen kommt. Schnee und Eis, hochalpin verblockt und rutschiger Schotter genauso gerne wie schnelle, verspielte und flüssige Wege. Ich versuche einfach aus jeder Strecke den meisten Fahrspaß heraus zu holen. Okay, Holzstufen mag ich nicht so.
Welchen Trail würdest du als deinen absoluten Lieblingstrail bezeichnen und warum?
Hmmm. Ich versuche Trails nicht mehr zu bewerten, ehrlich gesagt. Es gab da mal einen Weg, den habe ich für meinen absoluten Traumtrail gehalten. Dann war ich ein Jahr später wieder dort und fand ihn todlangweilig. Und manchmal gibt es Tage, da passt einfach alles zusammen und man könnte heulen vor Freude, ganz unabhängig vom Weg. Ich denke das hat viel mit „Flow“ zu tun. Und damit meine ich nicht dieses geschundene Prädikat „flowig“, das jeder Weg bekommt, der nicht allzu technisch ist. Ich meine den Gefühlszustand Flow. „Flow“ steht dafür, dass Herausforderung, Fähigkeit und Motivation im Gleichgewicht stehen. Da sich Fähigkeiten verbessern (oder verschlechtern) können und Motivation auch etwas ziemlich flexibles ist, kann ein und die selbe Herausforderung (also ein Trail) mal der Oberwahnsinn sein und mal ziemlicher Murks. Anyways, dieses Jahr hatte ich den maximalen Flow bei dieser Tour!
Wann hast du mit dem Biken angefangen und was war dein erstes Mountainbike?
Das müsste 1995 gewesen sein. Da habe ich von meinen Eltern ein Focus Killer Bee geschenkt bekommen und damit die Wälder des Siegerlands unsicher gemacht.
Wo in bzw. um Siegen lag dein Heimrevier bzw. deine Home-Trails?
Die meisten Wälder im Siegerland sind recht langweilige Fichten-Monokulturen und die Trails ebenso unspannend. Wir haben also verdammt viel gebaut. Alles illegal, ja, wir waren jung und dumm. Zusammen mit Carlo Dieckmann habe ich Dirt Jumps hinter das Haus meiner Eltern geschaufelt. Die Hügel stehen heute immer noch, aber das Haus nicht mehr. Fast ein Jahr lang haben wir an einem North-Shore Trail bei Unglinghausen im steilsten Wald der Region gebaut – und kaum waren wir fertig hat uns der Förster erwischt und alles abgerissen. Aber wir haben nicht aufgehört und schließlich am Häusling einen spannenden Wald gefunden. Dort habe ich meine halbe Zivildienstzeit verbracht und dank fleißiger Hilfe der Local-Kids einige spaßig kurze Lines durch Bombenkrater und eingestürzte Stollen gegraben. Die Pfade dort sollten auch immer noch existieren, also schaut mal vorbei!
Du hast damals auch ein Freeride-Event in der Nähe von Siegen organisiert. War dir zu diesem Zeitpunkt schon klar, dass du später mal in der Bikebranche arbeiten wolltest?
Die X-Pression Session, jeah! Das war echt ein Highlight, denn damals gab es zwar DH-Rennen, aber im gesamten deutschsprachigen Raum noch keine Veranstaltungen für Freerider. Bei der Build and Ride Session waren auch schon einige heute recht bekannte Fahrer mit dabei, Carlo Dieckmann, Jan Stötzer, Taulan Dernbach und Mario Lenzen zum Beispiel. Bei dem Contest habe ich festgestellt, dass mir das Organisieren von Events viel Spaß macht. Mit der Bikebranche hatte das allerdings noch recht wenig zu tun. Das hat sich eher parallel dazu entwickelt, durch meine Sponsoren, mein Praktikum beim MountainBIKE Magazin und die Marketing Zusammenarbeit mit Silvan Bürge von DT Swiss.
Nach deiner Zeit in Siegen bist du in die Alpen gezogen. Eine lang geplante Entscheidung? Was bewog dich zu dieser Entscheidung?
Siegen ist schlimmer als Verlieren, sagt man. Und irgendwas ist da auch dran… …okay, ganz so schlimm ist es nicht (Anm. d. Red.: Für normale Tourenbiker ist das Siegerland super geeignet). Nur als Kind der Berge (bis zu meiner Einschulung hat meine Familie in Bayrischzell gelebt) habe ich mich dort nie allzu heimisch gefühlt. Während der Abitur- und Zivizeit bin ich fast jedes Wochenende in die Alpen gefahren. 2003 war ich alleine 10 mal am Gardasee, und das sind von Siegen aus fast 1000 km one way! Die Entscheidung hier runter zu ziehen lag also ziemlich nahe. Seit 2005 lebe ich in Innsbruck und habe diesen Schritt nicht eine Sekunde meines Lebens bereut! Es ist einfach der Wahnsinn mitten in den Alpen zu wohnen und den weltbesten Spielplatz direkt vor der Haustüre zu haben! Meine Eltern leben jetzt auch in Saalfelden im Salzburger Land. Familie Philipp ist zu Hause!
Wann hast du gemerkt, dass Bikebergsteigen genau dein Ding ist und nicht die Bikepark-Shredderei?
Ich habe zuerst alles mal ausprobiert, angefangen mit CC-Rennen und Marathons. So richtig im Verein, mit Trainer und in hautengen, neongelben Klamotten. Dann kam die Zeit wo „Jackass“ auf MTV lief und wir die ersten „Kranked“ Filme in die Hände bekamen. Das hat gepasst, denn wir waren mitten in der Pubertät und bereit uns für Ruhm und Ehre ordentlich weh zu tun… Fortan nannte man sich also Freerider. Bei einigen Downhill Rennen bin ich am Start gewesen und ja, ich war auch mal Bikepark-Shredderer! Ich glaube 2002 war es dann, als ich mit Picco von den Vertridern den Dalco Trail am Gardasee gefahren bin. Dort sah ich zum ersten mal, wie man das Hinterrad in engen Spitzkehren versetzt. Das war der Schlüssel! Im Singletrailfahren kam alles zusammen was ich am Mountainbiking liebe. Der Schritt, für eine gewaltige Trailabfahrt den Berg hochzutragen war dann nur noch ein recht kleiner.
Waren Street-Trial, Slopestylen und Dirtjumpen jemals relevante Themen für dich?
Eher nicht so. Was Street und Trial betrifft bin ich ziemlich talentfrei. Dirtjumpen geht ein wenig. Mein Trickrepertoire beschränkt sich allerdings auf leicht angedeutete Tabletops und Whips. In meiner direkten Nachbarschaft wohnen u.a. Andi Wittmann und Tom Öhler, vielleicht lerne ich noch was von denen!
Wie schaut es mit hohen Drops aus, machst du so was?
Ich fahre lieber am Abgrund entlang als mich hinein zu stürzen.
Interessieren dich als Fahrer auch Rennen – also z.B. Enduro-Formate oder Marathons?
Früher war ich da schon motiviert. Beim Megavalanche in Alpe d’ Huez bin ich vier mal am Start gewesen und habe zwei mal Platzierungen in den Top 50 erreicht. Ein richtig guter Rennfahrer war ich aber auch nie, mir fehlt der Ehrgeiz zum gewinnen. Ich fahre einfach lieber mit anderen als gegen sie!
Mit deiner Firma Summitride bietest du auch Fahrtechnik-Kurse an. Was ist der von dir am häufigsten beobachtete Fehler bei deinen Kunden?
Summitride Bikeguiding ist ein bisschen was anderes als normale Fahrtechnikkurse. Ich biete größtenteils Singletrailkurse für bereits fortgeschrittene Biker an. Richtige „Fehler“ machen die meisten erfahrenen Biker nicht mehr, oder zumindest mag ich es nicht so nennen. Viele die zu mir kommen waren vorher schon beim Stefan Herrmann, Manfred Stromberg und Co. und sind in den seltensten Fällen totale Fahrtechnik-Legastheniker. Oft sind es dann ganz kleine, individuelle und schwierig zu erkennende Details die noch nicht ganz passen. Die zu finden und daran zu arbeiten ist ein wesentlicher Aspekt meiner Kurse, und darauf aufbauend das methodische heranführen an komplexe Techniken wie den flüssigen Hinterrad-Versetzer.
Wie versuchst du deinen Kunden ein ökologisches Bewusstsein beim Bergbiken zu vermitteln?
Ich glaube ganz grundsätzlich, dass jeder der sich gerne bewusst in der Natur aufhält auch automatisch ein Interesse an deren Erhaltung hat. Meinen Kunden möchte ich daher vor allem die Liebe zum Berg vermitteln. Es gibt viele beeindruckende Details, die dem durchschnittlichen Stadtbewohner gar nicht mehr auffallen wenn er nicht darauf gestoßen wird. Da gibt es zum Beispiel einen total verwunschenen Wald in meinem Tiroler Fahrtechnikrevier, wo ich mit meinen Leuten manchmal eine Pause mache. Jeder soll sich dann einen gemütlichen Platz suchen, für fünf die Augen zu machen und in sich gehen ohne zu reden. Das hört sich kitschig an, ist aber voll spannend was da mit den Menschen passiert. Plötzlich hört man Geräusche die bei unserem sonst so lauten und schnellen Sport untergehen. Und alle werden ganz ruhig. Aber das funktioniert natürlich nicht immer, bei einem von Mücken bevölkerten Saalbacher Schlammtümpel sollte man sich solche Übungen vielleicht verkneifen, denn Stiche sind ein eher unschönes Naturerlebnis…
Was stört dich an der Bike-Szene heutzutage?
Mir gefällt die Szene und die Branche eigentlich ganz gut so wie sie ist, viele lustige Charaktere treffen da aufeinander.
Du hast ein abgeschlossenes Studium. Was ist normalerweise dein Hauptjob Profi-Biker oder PR-Mann am Schreibtisch?
Schreibtisch, was ist das? Gut, du hast mich erwischt, auch ich kann mich nicht gänzlich vor Büroarbeit drücken. Ich bin der PR-Fuzzi für Lupine und ich mache Marketing Projekte für einige meiner Sponsoren. Bei Press-Camps und Produktpräsentationen bin ich öfters mit dabei, und auch die Organisation von Summitride Bikeguiding mache ich selbst. Während der Sommersaison habe ich so im Schnitt 2 Bürotage und 5 Biketage pro Woche. Ist immer noch fair finde ich (grinst).
Print- oder Online – was liest du mehr, wenn es um Bike-Themen geht?
Ich habe zwar alle deutschsprachigen Hefte abonniert, aber so richtig lesen tue ich die kaum. Die Geschichten von Henri Lesewitz gefallen mir, ansonsten überfliege ich das meiste nur noch und schaue, an welchen Inhalten ich mitgewirkt habe. Online bin ich vor allem auf mtb-news.de unterwegs, ganz selten auf amerikanischen und englischen Seiten. Nach 15 Jahren Bike- Medienkonsum bin ich auch ziemlich abgestumpft was sensationelle Produktneuheiten und Revolutionen des Bikesports angeht. Den Wendeberg, der sich umdreht sobald man unten angekommen ist, hat leider noch keiner erfunden…
Was treibst du im Winter? In einer Halle Biken oder lieber in den Schnee ziehen?
Halle – spinnst du? Ab in den Schnee! Skifahren, Zipflbobben und Rodelbahnbiken!
Mit welcher Profi-Bikerin würdest du gerne ein Wochenende in den Alpen verbringen?
Paola Pezzo vor 15 Jahren. Das Bild von ihrer Olympia-Zieleinfahrt mit weit geöffnetem Trikot-Zipper verfolgt mich immer noch in meinen Träumen…
Wie sieht ein gewöhnlicher Tag im Leben des Harald P. aus?
Ich erlebe keine gewöhnlichen Tage!
Welche Bike-Events besuchst gerne als Zuschauer?
Als Zuschauer besuche ich keine Events. Beim Bike Festival am Gardasee und beim Freeride Festival in Saalbach-Hinterglemm bin ich gerne ich vor Ort sein zum Radfahren und Feiern!
Was würdest du gerne an dir ändern?
Ich bekomme schneller einen Kater, mir wächst ein Bauch, mir fallen am Kopf die Haare aus und sie wachsen statt dessen in der Nase, den Ohren und am Rücken nach…. Kann ich bitte wieder 25 Jahre alt sein und bleiben?
Was sind deine sportlichen Ziele für die nahe Zukunft?
Es gibt da noch einige Gipfel die auf ihre Erstbefahrung warten. Ich halte euch auf dem Laufenden!
Erstbefahrungen gehören zu Haralds Spezialgebieten…
Welches deiner Bikes bewegst du am häufigsten?
Das Liteville 301 ist die große Liebe meines Lebens!
Hattest du in der Jugend Idole oder Vorbilder im MTB-Sport?
Eher aus dem Bergsport. Hermann Buhl war ein wilder Hund!
Was macht dich glücklich?
Kaffee, Berge, Freunde, Radfahren und Sex.
Drei Eigenschaften die dich treffend beschreiben?
Spontan, optimistisch, glücklich.
Welche drei Eigenschaften sagt man dir nach?
Fleißig, gewissenhaft, introvertiert…. NOT!
Innsbruck ist…
Die Bikehauptstadt Europas!
E-Bikes sind…
Keine Hilfe für Bike-bergauf-Träger.
Letzte Worte?
Vielen Dank an meine Sponsoren Liteville, Syntace, DT Swiss, Arc’teryx, Formula, Schwalbe und Lupine!
Haralds Webseite (inkl. Blog): www.summitride.com
Mehr zu Summitride in bewegten Bildern:
Interviewfragen: Marc Brodesser @ mtb-zeit.de /// Dieses Interview erschien auf mtb-news.de
[…] Harald Philipp (hier im Interview): Als erfahrener Touren-Guide und sympathischer Typ hat der Wahl-Innsbrucker viel zu erzählen und […]