Ist es ein typisches Symptom einer Midlife-Crisis oder was genau bewegt einen gestandenen Mountainbiker “im besten Alter” ohne jegliche Wettkampf-Ambitionen sich an einem Enduro-Rennen anzumelden? mtb-zeit.de-Leser Bernd Hallmann hat seine Gedanken asuführlich niedergeschrieben und erfreut uns dabei mit seiner lesenswerten Selbstreflektion.
“Noch 15 Tage, 16 Stunden und 30 Minuten
Es ist überhaupt nichts Ungewöhnliches sich für ein Rennen anzumelden. Auch nicht, wenn man 41 ist. Es ist ja auch kein Downhill-, sondern ein Enduro-Rennen. So dick sind die Eier dann nun auch wieder nicht. Aber warum nochmal habe ich mich überhaupt angemeldet? Das Messen mit anderen liegt mir überhaupt nicht im Blut. Ausserdem hasse ich es, wenn mir jemand beim biken zuschaut. Am liebsten fahre ich in einer Gruppe irgendwo in der Mitte. Fahre ich vorne, fühle ich mich verfolgt, fahre ich hinten, fühle ich mich abgehängt. In der Mitte fahren alle, die durchschnittlich fitten, die Leute, die sich verstehen. Unser Trainingslevel schweisst uns zusammen. Es hat schon seinen Grund, warum die vorne vorne fahren und die hinten hinten. Vorne kann keiner lange und hinten will keiner lange sein. Warum also, warum um alles in der Welt habe ich mich zu diesem Rennen angemeldet? Ist es evtl. so eine Art Midlife Crisis, die sich von hinten heimlich in mein Leben geschlichen hat? Andere kaufen sich schnelle Autos oder noch schnellere Motorräder, suchen sich eine jüngere Lebensabschnittsgefährtin, brechen alle Brücken ab und eröffnen eine ayurvedische Massagepraxis und ich fahre ein Rennen? Möchte oder muss ich mir gar etwas beweisen? Das ich noch beissen kann, obwohl die dritten Zähne schon in Reichweite sind?
Ich bin vorher noch nie bei einem Rennen mitgefahren, klar gab oder gibt es den Traum, einmal die Megavalanche zu fahren, aber dieser Stress… tausende schwitzende, grölende, jammernde, besserwissende, stinkende, schnellere Biker auf einem Fleck, die zeitgleich starten um möglichst nicht gemeinsam auf ein gemeinsames Ziel hinzu arbeiten. Freunde sind nicht mehr das, was sie mal waren oder was man dachte, was sie sind oder sie waren nie das, was man vom ihnen dachte, was sie sind. Freunde, das ist ohnehin so ein abstrakter Begriff. Ich habe, glaube ich, nur 2, evtl. auch nur einen wirklich guten Freund. Der mit dem man alles teilt, der verzeiht, der nicht alles hinterfragt oder jedes Wort auf die Goldwaage legt und bei dem es mir egal ist, ob er sich alle 4 Wochen oder nur einmal im Jahr meldet, der meinen Geburtstag vergessen darf, weil das ohnehin nur ein Tag wie jeder andere ist, dessen Geburtstag ich aber nicht vergesse, weil es so viele coole, lustige und schöne Geschichten gibt, die ich mit diesem Datum verbinde. Als Biker bin ich Individualist, Extremsportler sogar, wenn ich der Presse Glauben schenken darf. Ich bin Bikebergsteiger, Tourenfahrer, Kurzstreckensprinter, Dropverweigerer – Rennfahrer lese ich nicht in dieser Liste. Rennfahrer, wie sich das schon anhört. Wie etwas, was man unter keinen Umständen werden möchte. Das klingt wie Exfreund, Lehrer oder Hausmeister. Das klingt nach zu engen Hosen, Doping und einem Stock, da wo kein Licht hinkommt. Rennfahrer… ich bin kein Rennfahrer. Warum habe ich mich dann angemeldet? Manchmal muss ein Mann tun, was ein Mann tun muss. Einen Baum pflanzen, ein Haus bauen, ein Rennen fahren? Und da eins und zwei nicht geklappt haben… ähhh, ich nehme Tür 3. Möööööp! Der Zonk… ein Rennen als Ersatz für verpasste Chancen. Es wenigstens einmal probiert zu haben, den Unkenrufen der bikenden Kollegen zum Trotz, von denen ohnehin jeder nur macht, was er will. Immerhin sind das ja alles auch Individualisten und oberste Priorität hat das, was gerade der persönlichen Befindlichkeit am ehesten entspricht. Gehandelt wird in eigenem Interesse, das ist einfach und bequem und so sollte modernes Leben ja auch sein. Was kümmern mich die Probleme der Anderen? Hauptsache mir geht es gut. Ich habe es so satt, wenn man ja wenigstens so ehrlich wäre zu sagen: Ich habe keinen Bock…. aber ständig lauwarm aufgekochte Ausreden die schon beim ersten mal zu fade waren, um geschluckt zu werden. Aber gefragt werden möchte man dann schon, man hat ja eine Meinung, wenn auch keine eigene.
Das Rennen, vielmehr das Geschehen rund herum, gibt ihn mir vielleicht zurück, den Glauben an eine Szene, an das was mal als Bewegung anfing und sich nun statisch voll und ganz sich selbst genügend in Selbstbeweihräucherung übt, während man großzügig über die Anderen schimpft, denn es sind immer die Anderen. Und ausserdem ist das Material oder das Wetter schuld. Trails werden gesperrt, weil der Forst ein Arsch ist, der Jäger ein Depp und Wanderer sowieso behindert sind und nicht etwa, weil sich die Damen und Herren Biker zu fein oder zu beschäftigt waren, vorher die Klappe aufzumachen und mal, im eigenen Interesse wohlgemerkt, einen Teil ihrer wertvollen Freizeit zu opfern. Die anderen, das sind auch die Vereine und Verbände, die den Kampf mit den Windmühlen der Bürokratie aufgenommen haben und allzu oft scheitern, was natürlich super ist, denn dann kann jeder wieder behaupten: Habe ich doch gesagt das das die oder der (hier Initiative oder Verband der Wahl eintragen) nicht auf die Reihe kriegen. Vor allem weiss dann auch jeder, wie es hätte laufen können, wenn man einfach mal nicht auf das falsche Pferd gesetzt hätte. Und es wird immer auf das falsche Pferd gesetzt und wenn nicht, dann wird kein Wort darüber verloren. Dann ist es nur gut und richtig, dass sich irgendeiner den Allerwertesten aufreisst zum Wohle aller. Gewürdigt wird das aber nicht, dazu hat man keine Zeit. Es gibt ja so viel Wichtigeres, zum Beispiel muss man noch im IBC über all jene herziehen, die nicht so sind, wie man selber gerne wäre, aber nicht ist. Und? Merkts einer? Nachts wird dann wieder im Fahrerlager randaliert, man ist ja schliesslich zum Spaß haben da und hat seine Startgebühr entrichtet. Die wenigen, die wirklich ein Rennen fahren wollen, haben sich sowieso schon ausquartiert. Und das sind die Leute, um deren Willen ich mich angemeldet habe. Die mal vorne und mal hinten mitfahren, die das Gefühl kennen, ein Anderer zu sein. Und vielleicht steckt es ja an, das Gefühl. Das man auch mal anecken muss und kann, ohne respektlos zu sein. Das es gar nicht darum geht, ganz vorne mit dabei zu sein und das die Mitte unglaublich viel bewegt und, viel wichtiger noch, die hinten im Blick behält und aufpasst, das sie nicht verloren gehen.”
Artikel von: Bernd Hallmann
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