mtb-zeit.de-Mitschreiber Michael Biederer von Freeride-Blog.de war wieder einmal in den Alpen unterwegs und hat neben tollen Erlebnissen und Eindrücken auch einen schönen Bericht mitgebracht. Das passende Trail-Goldstück fand Stefan im Vinschgau, wo Biker bekannterweise willkommene Gäste sind.
Wir hatten unseren Freeride-Alpencross bereits fertig geplant, da wurde es gerade öffentlich bekannt: Der Goldseetrail darf vor 10 Uhr und ab 16 Uhr wieder mit dem Mountainbike befahren werden. Jubel brach in unserer kleinen Planungsrunde aus. Jeder hatte schon mal über die einschlägigen Medien die tollen Berichte des angeblich epischen Trails gelesen, der sich immer am Ortler entlang vom Stilfser Joch bis ins Vinschgau schlängelt. 36 km und ca. 2000 HM, oder sollte ich sagen TM (Tiefenmeter): sowas vergisst man als trailverliebter Freerider nicht einfach. Jeder von uns wollte diesen Trail einmal unter seine Räder nehmen, doch es war immer wieder von der Wegsperrung und den Kontrollen und Strafen zu hören, daher haben wir den Weg nie kennenlernen dürfen. Und wie es der Zufall so wollte, unser Bikesteigen-Alpencross sollte im schönen Vinschgau enden. Es war also sofort klar, dass wir noch einen Tag dran hängen und den Super-Trail endlich befahren werden. So war es dann auch im September 2011, nachdem uns unsere Tour im Vinschgau ausgespuckt hatte, radelten wir auf der Straße nach Glurns, wo wir am späten Abend noch einen Shuttledienst anheuern konnten…
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Dieser brachte uns dann von der Rückseite über den Umbrail-Pass auf das 2757 m hoch gelegene Stilfser Joch. Oben angekommen machten wir uns auf die Suche nach einer Unterkunft, allerdings war es schon nach 9 Uhr abends. Beeilen wollten wir uns aber sowieso, denn es wurde gerade dunkel und noch dazu war der Nieselregen, bei Temperaturen knapp über dem Gefrierpunkt, mehr als unangenehm nach diesem kräftezehrenden Tag. Wir machten uns also auf Richtung des Hotels Tibet, da wir hier nur Gutes gehört hatten: bikerfreundlich, man bekommt immer was, auch abends. Nun ja, da standen wir, mitten in dem Hotel, durchnässt, hungrig und durchgefroren. Eine ältere Dame an der Bar sah uns kurz an, ging aber dann ohne ein Wort zu sagen wieder weg. Erst zehn Minuten später kam sie wieder zurück, um uns erst auf Nachfragen zuzurufen, dass das Hotel voll wäre. Eine sehr nette Absage muss ich sagen; wir haben uns auch etwas gewundert, dass nur etwa ein Drittel der Tische belegt waren, es sah sozusagen nicht voll aus, aber vielleicht hatte man an diesem Tag einfach schon genug Geld verdient, wir wissen es nicht. Jedenfalls ging es wieder in die Kälte und wir fanden schließlich Unterkunft bei einer sehr netten Dame. Das Hotel Genziana ist zwar schon ein älteres Semester, aber was uns dort zum Abendessen serviert wurde, war wirklich fantastisch. Feinste italienische Küche, ein 4-Gänge Menü war bei der Halbpension für 50 Euro inklusive. Wirklich zu empfehlen! Nach ein paar Gläsern Wein ging es dann ins Bett.
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Der nächste Morgen war gekommen. Der Schlaf war schnell aus den Gliedern geschüttelt, schließlich sollte eine epische Trail-Abfahrt folgen. Gleich nach dem Frühstück ging es um kurz vor neun los. Der Aufstieg zum Trail begann direkt hinter unserem Hotel. Etwa 50 Höhenmeter galt es einen steilen Hang hinaufzuschieben. Nach diesem zehnminütigen Aufstieg lag er schon vor uns. Dieser tolle Trail schlängelt sich an den Hängen entlang, nähert sich langsam dem noch weit entfernten Vinschgau, welches man aber in der Ferne schon erkennen kann. Wenn der Blick nach rechts schweift, ist das mächtige Ortlermassiv zu sehen, das bisher noch in Wolken gehüllt ist und hinter uns erstreckt sich der Gletscher des Sommerskigebietes des Passo Stelvio. Tobias und Jochen, meine beiden Mitfahrer und heutigen Konkurrenten um die meisten Glücksgefühle, hatten den Trail als lauter Vorfreude schon unter die Räder genommen, als ich oben noch Photos knipste.
Auch ich nehme nun diesen wunderbaren Trail, der sich anfangs als glatter, handtuchbreiter Weg an der Bergflanke entlang zieht, unter meine Big Betty´s. Den ersten Kilometer kann man es richtig fliegen lassen, denn es stellt sich einem nichts in dem Weg. Einzig der Blick auf das Orltermassiv, welches direkt gegenüber dem Goldseetrail liegt, lädt zu kurzen Pausen ein- einfach eine bombastische Aussicht. Nach der kurzen Pause geht es weiter, immer diesen fast endlos wirkenden Kurven entlang, die sich um die Bergflanke in leichtem Gefälle herumschlängeln – ein wahrer Speedrausch ist vorprogrammiert. Nach den ersten Kilometern ändert der Trail seine Charakteristik und wird etwas verblockter, weil er mehr oder weniger mitten durch ein Geröllfeld führt. Allerdings ist er dort immer noch gut zu fahren – er ist hier nur etwas technischer und nicht mehr einfach zum runter bolzen. Aber ein bisschen Abwechslung ist schließlich immer gut.
Zu Dritt heizen wir die letzten Meter des Goldsee-Trails hinunter um uns unten im Adrenalinrausch abzuklatschen. ‘Geil wars’ – da sind wir uns alle einig. Die meisten Biker werden nun nach Stilfs abfahren, doch wir wollen den kompletten Trail bis nach Glurns im Vinschgau unter die Räder nehmen und folgen deswegen dem Almenweg, der sich in einem auf und ab an einem Bergkamm entlang zieht. Wir merken aber schon recht bald, dass dieser Trail nicht gerade das Gelbe vom Ei ist.
Zwischendurch ist er toll zu fahren, ein super-schmaler Weg auf weichem Waldboden der nur so nach hohen Kurvengeschwindikeiten schreit, die Kehrseite ist allerdings, dass er immer wieder so steil nach oben führt, dass an fahren nur noch selten zu denken ist. Wir lassen den Trail also eher mit gemischten Gefühlen hinter uns, als wir auf eine Lichtung kommen auf der ein alter Bauer steht, der uns mit einem Grinsen ansieht. Laut unserem Führer steht uns nun eine Abfahrt auf Schotter bevor, die die letzten 600 Höhenmeter vernichten soll – nicht gerade berauschend! Doch plötzlich winkt uns der Alte heran und meint in tiefstem Tirolerisch ‘Habts guade Bremsen? Dann fahrst den 24er’ – Gesagt, getan! Wir steigen direkt bei seiner Almhütte in den Weg mit der Nummer 24 ein, der sich als unglaublich genial entpuppt. Meiner Meinung nach gehört er zu meinen Top 3 der besten Trails, die ich bisher gefahren bin! Schon allein wegen diesem Trail hat sich der ganze Tag gelohnt.
Er beginnt eben an der Hütte des ‘Alten’ und führt auf weichstem Waldboden in leichten Kehren ins Tal. Zwischendurch schlängelt er sich durch einige Rinnen, von denen man seitlich immer wieder in den Trail hineindroppen kann – ein ungeheurer Spaß der nur noch durch unsere abartige Geschwindigkeit übertroffen wird. In so einem Flow war ich noch nie – was wir die anderen beiden, unten angekommen, bestätigen: ‘Mensch, was war denn mit dir los? Wie hast du dieses eine Steinfeld genommen mit deinem Speed??’ Naja, dieses Steinfeld hatte ich wohl einfach überflogen – es war eh schon zu spät zum bremsen! Wir lassen den Trail hinter uns und wollen gerade auf der Teerstraße die letzten Hundert Höhenmeter abfahren als wir einen Trimm-dich-Pfad abzweigen sehen, wir sehen uns an und schnell ist klar – testen wir auch den! Und was soll ich sagen, nochmals ein genialer Weg, anfangs durch ein Wäldchen, durch die wunderschöne Kurven führen, geradezu extra für Biker geshaped.
Das letzte Stück des Weges führt dann über eine Wiese, wirklich nur noch handbreit – ein würdiger Abschluß eines Tages wie man ihn wohl nur selten erleben wird. Eins ist am Ende klar – wir kommen irgendwann wieder!
By: Michael Biederer – Freeride-Blog.de
Der Goldseetrail ist schon ein echter Hit. Der Blick in die Umgebung ist unbeschreiblich.