Der sympathische Schweizer Mountainbike-Allrounder Balz Weber war fast ein Jahrzehnt lang als Profi im MTB-Racing unterwegs – im olymischen XC-Racing feierte er seine größten Erfolge. Um sich neuen Zielen zu widmen und dem Downhill-Biking zu frönen, beendete der U23-Weltmeister aus 2003 vor zwei Jahren seine Karriere. Lest auf mtb-zeit.de über den begnadeten Fahrtechniker im ausführlichen Interview!
Hi Balz! Stell dich bitte mal kurz den Lesern vor, die dich und deine Story
noch nicht kennen!
Hallo allerseits, ich heiße Balz Weber, bin 31 Jahre alt und komme aus der Schweiz. Im Alter von 13 Jahren bin ich mein erstes XC Rennen gefahren, war zuletzt 8 Jahre lang Profi und bin im Oktober vor einem Jahr mein letztes XC Rennen gefahren.
Nun, bekannt bist du vor allem als XC-Racer – wie bist du zu deinen Anfangszeiten in die MTB-Rennszene hinein gerutscht?
Hier muss ich etwas ausholen. Mein Bruder ist doch ein Stück älter als ich und somit hat mir alles imponiert, was er gemacht hat. Da er sich in diversen Funsportarten geübt hatte, wollte ich natürlich auch all diese Sportarten machen. Von Skateboarden, Windsurfen, Snowboarden und anderen verrückten Sachen war Mountainbiken das prägenste und somit blieb ich dort auch hängen. 1993 haben mein Bruder und ich dann die ersten Rennen bestritten. Er bei den Männern und ich in der Schülerkategorie. Nach dem ersten XC Rennen, ließ unser erstes Downhillrennen auch nicht lange auf sich warten. Die Faszination am Downhillsport ist bis heute geblieben.
Downhill ist deine Passion, Profi warst du im XC-Bereich. Was hat dich damals am Racing in Sachen Cross Country so fasziniert?
Ein paar Jahre lang, sind wir immer XC und Downhill gefahren. Irgendwann stand ich dann an einem Punkt, wo ich beides miteinander nicht mehr machen konnte. Da ich im XC bereits ein paar Podestplätze und Siege errungen hatte und im Downhill mehr am Boden lag, war es naheliegender, mich auf die XC Rennen zu konzentrieren. Ganz am Anfang hatte ich nur Spaß. Später begann mich der Kampf zu faszinieren, das taktieren, sich quälen und dabei von den Endorphinschüben geflasht zu weden.
Die Erfolge als MTB-Profi belohnten dann ja das harte Training – was war während deiner Race-Karriere dein
Highlight und warum gerade dieses?
Mein wichtigster Erfolg hatte ich eigentlich noch kurz vor meiner Profikarriere, als ich 2003 in Lugano, U23 Weltmeister wurde. Speziell natürlich weil die WM in der Schweiz war und ich der erste Schweizer war, der den U23- WM Titel erringen konnte. Daneben war natürlich mein erster Schweizermeistertitel ganz speziell, wobei eigentlich alle 4 etwas Spezielles waren. Ebenfalls eine super Erinnerung habe ich an den Europameistertitel im Team Relay, welchen ich zusammen mit Ralph Näf, Nino Schurter und Barbara Blatter erringen durfte.
Solche Erfolge fühlen sich sicher toll an – was aus deiner Zeit als Berufsradsportler vermisst du sonst so?
Ganz klar die vielen guten Momente, die mir meine Wegbegleiter (Teamkollegen, Gegner, Betreuer, Fans und Familie) während dieser Zeit beschert haben. Dazu kommt dass ich mir ausser den Pflichtterminen, meine Zeit selber einteilen konnte und wochenweise an super schönen Orten trainieren durfte und das Top Material, welches es jährlich neu gegeben hat, hehe.
Nun bist du schon eine zeitlang “Normalo” – was magst du an deinem neuen Leben besonders im Unterschied zu vorher?
Aus sportlicher Sicht haben mir in diesem Jahr hauptsächlich das Downhill fahren und bis in den späten Frühling Skitouren zu gehen, gefallen.
Beruflich war es kein schönes Jahr. Der Umstand, arbeiten zu müssen und nicht mehr täglich aufs Rad sitzen zu dürfen, war soweit verkraftbar. Das Problem war, dass mir mein erlernter Beruf auf die Dauer keinen Spaß mehr bereitet hatte und ich dadurch arge, berufliche Orientierungsprobleme hatte. Bevor ich Profi wurde, hatte ich eine Lehre als Forstwart abgeschlossen und habe fast jedes Jahr, nach der Saison, für ein, zwei Monate Holzhauerei betrieben. Einerseits aus Freude an der Arbeit und um das erlernte nicht zu verlernen und anderseits noch ein bisschen extra Geld zu verdienen.
Nun habe ich einen super Job bei dem ich schon von Berufswegen wieder mehr aufs Bike komme und dank dem auch mein neues Leben wieder gesamtheitlich mag.
Wie standen denn deine Eltern damals zu deinem Wunsch MTB-Profi zu werden?
Meine Eltern waren ein sehr entscheidender Faktor für meine Karriere. Sie haben mich tatkräftig unterstützt, indem sie mit mir jedes Wochenende an ein Rennen gekarrt sind und mir während der Rennen die Flaschen hingehalten haben. Demnach waren meine Eltern auch glücklich, dass ich meinen Traum vom MTB-Profi auch in die Realität umsetzen konnte.
Du hast es damals geschafft – was rätst du jungen Racern, die den Schritt zum Profi machen wollen?
In erster Linie ist wichtig dass die Freude am fahren im Vordergrund steht. Im weitern braucht es Disziplin und Geduld. Einen persönlichen Trainer ist auch von Vorteil, da es meistens nichts bringt wenn man im Training selber etwas wurstelt. Wichtig finde ich ebenfalls dass man sich selber Treu bleibt und Blendern aus dem Weg geht. Von denen hat es nämlich genug in der Rennszene! Was ich ebenfalls wichtig finde ist, dass man eine Berufslehre oder einen höheren Schulabschluss hat. Somit hat man schon mal ne kleine Sicherheit, falls die Karriere plötzlich fertig ist oder man es gar nicht schafft.
Schon als junger Athlet konntest du einige Erfolge verbuchen. Wie hat das deine Persönlichkeitsentwicklung beeinflusst?
An jedem Erfolg bin ich gewachsen, zum Glück aber nicht die Höhe meiner Nase, hehe. Sofern ich das beurteilen kann und den Aussagen von ehemaligen Kollegen, Teamchefs und Bikefans glauben darf, bin ich ziemlich auf dem Boden geblieben.
Heute bist du beruflich sehr vielseitig tätig – was machst du so alles für den Broterwerb?
Während meiner Profikarriere habe ich oft Bikekurse für Schulen, Universitäten, Firmen und Privatpersonen gegeben. Wie schon erwähnt habe ich mich jeweils in der Zwischensaison der Forstarbeit gewidmet und bei Bedarf auch Spezialfällarbeiten erledigt. Zwischen Berufslehre und Profikarriere habe ich auch schon als Fahrradmechaniker gejobt. Später habe ich mal noch in der Magnetproduktion für die Automobilindustrie ausgeholfen, was ebenfalls interessant war. Mein neuer Job, von dem ich bereits gesprochen habe, wird ebenfalls sehr vielseitig sein und hoffe, dort auch meine vielen Erfahrungen einsetzen zu können.
Heutzutage stehen Langstrecken-DH-Rennen und Enduro-Rennen bei vielen Bikern hoch im Kurs. Welche Disziplin findest du interessant?
Mein Wunsch war es immer, in den DH Rennsport zurückzugehen, wenn ich genug von meiner XC Profi Karriere habe. Diesen Wunsch habe ich mir erfüllt und deshalb ist Downhill auch immer noch mein Favorit. Dieses Jahr habe ich mich einmal an einem Enduro Rennen versucht und ziemlich gefallen daran gefunden und deshalb werde ich 2013 auch ein paar dieser Rennen bestreiten. Cool daran ist, dass man eigentlich Downhill fährt aber viel mehr zum fahren kommt und sich ganz oder teilweise aus eigener Kraft zum Start der Stages bewegen muss. Massenstart Downhills haben mich bisher nie gereizt. Nach einem halben Leben mit Massenstarts, muss ich das nicht mehr unbedingt haben.
Was hast du im Detail für deine Terminplanungen für 2013 in Sachen Mountainbiken alles vorgesehen?
In der nächsten Saison stehen wieder der IXS- Downhill Swiss Cup und ein paar IXS- European DH Cups, sowie 3- 4 Endurorennen auf dem Programm.
Neben diesen paar Rennen, bei denen es mir nur noch um den Spass geht, will ich auf jeden Fall noch ein paar super Touren machen. Also d.h. neben regelmässigem biken und mittleren Touren noch ein paar unvergessliche Tourenprojekte realisieren.
Was hast du dir bike-mäßig für 2013 vorgenommen?
Wie schon erwähnt werde ich ein paar Downhill- und Endurorennen fahren aber auf Ergebnisse fahre ich da nicht direkt. Im DH und im Enduro versuche ich meine bestmögliche Performance abzurufen. Wenn daraus noch ein gutes Ergebniss resultiert, ist das natürlich toll aber wenn ich meine Rennläufe versaue, dann stört mich das nicht weiter. Spaß am Rennen fahren steht für mich im Vordergrund. Abgesehen von den Rennen habe ich noch keine Reiseziele. Ich möchte auf jeden Fall die Trails in den Schweizer Westalpen noch besser kennenlernen aber grössere Biketrips im Ausland habe ich noch keine geplant.
Körperliches Training scheint für viele Fahrer auch nach der Profi-Zeit wichtig zu sein. Was an hartem Training mutest du dir heute noch zu?
Zu wenig, haha! Im ernst, ich habe mich diesen Sommer echt zu wenig bewegt auch wenn es auf meinem Facebook Profil nach mehr ausschaut. Wie schon angetönt wird das 2013 anders werden. Mein Ziel ist, mein Ausdauerlevel noch lange halten zu können, oben raus werde ich aber mein altes Level nie mehr erreichen, dass wäre nur eine Illusion.
Du gehörst immerhin zu den erfahrenen Athleten im MTB-Sport – worauf sollte man in deinem Alter in Sachen effizientes Training besonders achten, damit
man körperlich den Anforderungen in diesem harten Sport erfolgreich und beschwerdefrei bleibt?
Zu effizientem Training gehört eine effiziente Erholung. Neben den üblichen Dingen wie genügend Schlaf, Stretching, Massage und weitere, findet Erholung auch im Kopf statt – sorgenbeladen erholt man sich erdenklich schlecht. Deshalb ist es sehr wichtig dass man möglichst mental clean ist. Ein Beispiel: 2003 waren wir zur EM und WM- Vorbereitung im Höhentrainingslager in St. Moritz. Während eines Strassentrainings hatten wir dann in Silvaplana am See, eine Lakejumpschanze entdeckt und haben uns dann nach dem Abendessen eine herrliche Lakejumpsession gegeben. Auch wenn dies, milde gesagt nicht optimal war, haben sich alle Beteiligten sehr gut erholt und konnten die darauffolgenden Tage wieder hart trainieren. Kurze Zeit später wurde Näf Europameister und 4. WM. Schurter wurde Junioren Vizeweltmeister und ich U23 Weltmeister. Kurz gesagt, nach dem besten Training steht und fällt der Erfolg mit der mentalen Verfassung!
Wo liegen deine Stärken beim Biken und was zählst du zu deinen Schwächen?
Eigentlich war ich in allen Bereichen stark. Bekannt war ich aber vielfach durch meine technischen Fähigkeiten, welche mir sicher den einen und anderen großen Erfolg eingebracht haben. Biketechnische Schwächen hatte ich eigentlich keine, es gab lediglich ein paar Sachen, die ich weniger gut konnte.
Was steht so alles auf deiner “Bike-Erlebnisse, die ich in meinem Leben abhaken möchte”-Liste?
Es gibt noch ein paar spezielle Abfahrten die wenn überhaupt, nur eine Handvoll Fahrer gemacht haben. Nicht supertechnische aber doch ziemlich anspruchsvolle Abfahrten, die nicht so einfach zu erreichen sind und in oder vor einer eindrücklichen Kulisse liegen.
Fährst du auch andere Rad-Disziplinen z.B. für das Training Rennrad oder auch mal Tricksen auf dem Dirtbike?
Auf dem Rennrad habe ich das meiste Training während meiner Sportkarriere absolviert. Daneben bin ich zu Trainingszwecken ein paar Bahn- und Straßenrennen gefahren. Genau genommen habe ich ausser BMX, Trial und Hallenradsport schon alles wettkampfmässig ausprobiert, was der Radsport bietet. Neben dem Training war ich dann oftmals noch auf der BMX- Bahn, auf Dirtjumps oder hab mich als „Schwachstrom Danny MC Askill“ geübt.
Verletzungen bleiben auch im Profi-Bereich ein Thema. Was hast du dir da bisher so zugezogen?
Verletzungen gehören leider auch dazu. Zum Glück bin ich immer glimpflich davongekommen. Nebst etlichen Schürfungen und Prellungen habe ich mich schon ein paar mal ausgeknockt (im XC), zwei Riss- Quetschwunden geholt, beide Schultern geprellt und deren Bänder gezerrt, Kapselriss am rechten Daumen, Rücken geprellt (im DH) und noch 11 Stiche am Kinn von einem „Vorbaukuss“. Nach bald 20 Jahren Rennsport ist das eine tragbare Bilanz!
Welches deiner Bikes fährst du selber am häufigsten?
Dieses Jahr war es eindeutig mein Devinci „Wilson“ DH- Bike, letzes Jahr war es mein BMC Fourstroke XC Fully. Nächstes Jahr wird ziemlich sicher das neue Devinci „Dixon“ Carbon, mein meistgefahrenes Bike sein.
Wo liegen deine Lieblings-Reviere für’s Biken?
In meiner Wohnregion bietet der Hügelzug „Lägern“ viele coole und technische Trails. Zudem hat man von dort bei klarem Wetter, eine schöne Aussicht auf die gesamte Schweizer Alpenkette und auch nach Süddeutschland und den Feldberg kann man gut sehen. Der gesamte Schweizer Alpenraum ist eigentlich ein Trailparadies. Im Ausland bin ich am meisten über die Südfranzösischen Trails geheizt.
Welches Erlebnis bei einem Bike-Trip wirst du nie vergessen?
Sicherlich die vier Begegnungen mit Schlangen auf Trails und dann gibt es viele super aber auch weniger schöne Erlebnisse von Biketrips. Dazu müsste ich aber ein Buch schreiben, hehe. Es gibt auf jeden Fall kein überragendes Erlebnis. Jedes das mir geblieben ist, hatte etwas spezielles, was es unvergesslich gemacht hat.
Was war das eindrucksvollste Bike-Erlebnis das du je mitgemacht hast?
Mein erster MTB Marathon 1996, der Grand Raid Marathon und das Cape Epic zusammen mit Alexandre Moos. Das waren zwar Wettkämpfe aber sehr eindrucksvolle.
Welche Sportarten neben dem Biken praktizierst du noch so?
Der Bergsport hat es mir ziemlich angetan. Also angefangen mit Skitouren über klassisches Bergsteigen und Sportklettern. Diesen Winter fange ich noch mit Eisklettern an. Sonst bin ich sehr gern im Wasser. Im Sommer oft am Rhein zum Schwimmen oder am Meer oder auf Flusswellen zum Surfen.
Was war dein erstes Mountainbike?
1993 ein Cannondale „Delta V 700“ mit der ersten Headshock. Diese Federperfomance hatte noch Jahre später kein anderer Gabelhersteller erreicht.
Was war für dich die wichtigste technische Entwicklung im MTB-Sport?
Scheibenbremsen, die Möglichkeiten die Carbon im Rahmen- und Teilebau bietet und die Verbesserung der Fahrwerke.
Dein Lieblingsprodukt aller Zeiten (aus dem Bike-Bereich)?
Cannondale’s Lefty, die durfte ich 2010 fahren, soo ein geiles Teil!! 😀
Was ist die wichtigste Lektion, die das Leben dich gelehrt hat?
Dass man an seinen Träumen festhalten soll und nicht gleich aufgibt, wenn man mal aus der Spur gerät.
Welchen besten Tipp hast du mal an jemand anderen gegeben?
Den obenstehenden!
Was führt dich in Versuchung?
Gutes Essen und zwischendurch ist Schokolade.
Was macht dich glücklich?
Aus der Komfortzone zu geraten, auf einem schönen Berggipfel zu stehen, ein super bikeride, meine freundin und wenn es meinen Familienmitgliedern und meinen Freunden gut geht.
Deine größte Angst?
Unsere Umweltsünden!
Dein aktuelle/r Lieblingsfahrer/in?
Greg Minnaar. Ich habe ihn 2003 an der WM Party in Lugano kennengelernt. Er ist für mich der Inbegriff eines Champions der auf dem Boden geblieben ist und keinen Unterschied zwischen DH und XC Fahrer macht.
Welche drei Eigenschaften sagt man dir nach?
Da musst Du diejenigen Fragen, die zu kennen glauben! Über mich selber: ich bin im richtigen Moment ehrgeizig und egoistisch, hilfsbereit, ein bisschen chaotisch und freundlich.
Wie möchtest du gerne in Erinnerung gehalten werden?
Als Spitzensportler ist man vergänglich wie ein Stück Butter in der Sonne, deswegen mache ich mir da keine Hoffnungen.
Danke für das Interview und viel Spaß auf dem Bike und im Beruf weiterhin!
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