Spätestens seit seinem tollen Auftritt bei der XCE Weltmeisterschaft in Saalfelden dürfte Martin Gluth vom Team Lexware Racing vielen MTB-Fans ein Begriff sein. Der Wahl-Freiburger gilt als begabter Fahrtechniker mit Sprintstärken und viel Potential. Im Interview mit mtb-zeit.de erfahren wir mehr über seinen Werdegang, die Wunderheilung seiner chronischen Rückenbeschwerden und vieles andere!
Hi Martin! Stell dich bitte mal kurz den Lesern vor.
Mein Name ist Martin Gluth, ich bin 21 Jahre alte und fahre seit 2012 für das Lexware Racing Team.
Wie bist du zu deinen Anfangszeiten in die MTB-Szene und den Sport hinein gerutscht?
Im Alter von 9 Jahren habe ich zusammen mit meinem Eltern eine Radtour zum Segelflugplatz in Helmbrechts (der Ort in dem ich aufgewachsen bin) gemacht. Dort hatte mein späterer Mountainbike-Verein einen Trail-Parcour für den Nachwuchs zum üben aufgebaut. Der verantwortliche Trainer im Verein Robert Popp erkannte mein Geschick auf dem Rad und lud mich zum nächsten Training ein. Ab diesem Zeitpunkt hatte ich Blut geleckt!
Was war dein erstes Mountainbike?
Mein erstes richtiges Mountainbike war ein 24-Zoll Bike von Scott. Damals noch mit Felgenbremsen war schon Old-School, haha.
Was ist deine schönste Erinnerung aus den Anfangsjahren deiner MTB-Karriere?
Da gibt es viele, sehr viele schöne Erinnerungen. Die ersten Trainingslager mit dem Bayern-Kader unter der Leitung von Karlheinz Buhl haben sicher die größten Spuren hinterlassen. Auf den europaweiten Vergleichswettkampf die „Metabo Junior-Games“ blicke ich auch sehr gerne zurück!
Wie fühlst du dich in deinem aktuellen Team Lexware Racing und welche Perspektive gibt es dir?
Mein Team bietet mir viele Möglichkeiten um mich sportlich bestmöglich weiterzuentwickeln. Es macht Spaß mit meinen Teamkollegen zu den Wettkämpfen zu fahren und die Stimmung ist immer super! Zum Wettkampf hin ist jeder 100% fokussiert und gibt sein bestes.
Du wurdest während deiner Zeit beim Team Bulls durch Artikel in der BIKE zum nächsten Wunderkind erklärt, das nur von seinem Rückenleiden gebremst wird. Wie hat sich die Erwartungshaltung auf dich ausgewirkt? Fütterte es deine Motivation oder wurde dadurch der Druck auf dich größer?
An diesen Artikel kann ich mich gut erinnern. Natürlich hat mich diese Aussage erfreut und bis in die Haarspitzen motiviert! Es hat mir vor allem viel Motivation gegeben um die Rückenbeschwerden in den Griff zu bekommen und die Gewissheit, dass mein damaliges Team hinter mir steht.
Wie hast du denn dann deine hartnäckigen Rückenbeschwerden in den Griff bekommen?
Ich habe viele verschiedene Sachen ausprobiert um die Rückenbeschwerden weg zu bekommen. Anfangs mit viel Physiobehandlung und Rücken- bzw. Stabi-Training. Zudem habe ich meine Sitzposition auf dem Rad verändert und gehofft es damit in den Griff zu bekommen. Von all dem wurde es besser, ging aber nicht vollständig weg und ich war mir sicher, dass ich damit nur die Beschwerden bekämpfe, nicht aber die Ursache. Danach war ich bei einer Osteopathin, die mir eine Behandlung am Kiefer empfohlen hat. Bei einem speziellen Zahnarzt habe ich meinen Biss überprüfen, und daraufhin korrigieren lassen. Meine Osteopathin war mit dem Ergebnis zufrieden und hat mich weiter behandelt. Danach wurden die Verspannungen im Rücken stetig weniger ich konnte wieder schmerzfrei Rennen fahren!
Was sind deiner Meinung nach bei Hobby-Racern die meist verbreiteten Ergonomie-Fehler, die Beschwerden beim Biken auslösen?
Die richtig Sitzposition auf dem Bike ist natürlich ein wichtiger Grundbaustein. Ich denke, dass viele Hobby-Biker nur die Sattelhöhe versuchen richtig einzustellen. Viele sitzen dann vielleicht zu gestreckt auf dem Rad oder haben zum Beispiel die Glieds am Klickschuh nicht richtig eingestellt. Ich denke es hilft schon sehr viel eine einfache Radvermessung in einem guten Radladen oder bei einem Radlabor durchzuführen.
Welche Krafttrainings-Tipps hast du für Radsportler?
Mir wurde gesagt, dass es in erster Linie wichtig ist die Ausführung richtig zu machen. Dies merkt man selbst aber leider nicht immer. Optimal ist es deshalb mit einem Partner zu trainieren der einem hin und wieder Tipps gibt. Außerdem ist es sinnvoll auf dem Wackelbrett oder dem Pezzyball die Koordination der Muskeln zu trainieren.
Du bist nun seit ein paar Jahren in der Rennszene mit dabei. Wie beurteilst du die Entwicklungen in diesem Bereich?
Ich finde es gut, dass die Rennen kürzer geworden sind. 1,5h Renndauer bei der Elite sind ausreichend, um eine klar Entscheidung herbeizuführen und machen die Rennen spannender für die Zuschauer. Als Kritik würde ich behaupten, das gerade die Umsetzung solcher Entwicklungen viel zu lange dauert. Den Eliminator Sprint gibt es jetzt zum Beispiel schon 2 Jahre im Weltcup und es gibt immer noch keine offizielle Gesamtwertung. Die UCI müsste da einfach schneller Handeln. In anderen Sportarten wie zum Beispiel beim Skilanglauf klappt das ja auch!
Wie siehst du die Chancen das XC-Racing aus seiner Nische rauskommt und es auch außerhalb von Olympia ins TV etc. schafft? Was muss geändert werden, damit die Medien mehr Interesse am Mountainbike-Sport haben?
Die Chance den Mountainbike-Sport durch die Übertragung der Olympia-Rennen bekannt zu machen, muss genutzt werden! Dieses Jahr ist das finde ich zum ersten mal super gelungen! Beide Rennen waren spannend bis zur letzten Sekunde. Es gab viele Positionskämpfe und Überholmanöver und die Entscheidungen um Gold, Silber und Bronze vielen erst in der letzten Runde. Bei den Herren gab es sogar einen Zielsprint um Gold!
Wie gefallen dir die neuen Sprint Eliminator Formate? Reizt dich diese Disziplin?
Das Format beim Eliminator-Sprint finde ich klasse! Mich reizt der Kampf „Mann gegen Mann“ in 4er- oder 6er-Heats. Ich denke, dass diese Disziplin eine goldene Zukunft vor sich hat. Die Rennen sind schnell und spektakulär und die Entscheidungen sind knapp. Das macht es spannend für die Zuschauer.
Martin und seine Team-Kollegen sprinten gerne:
Hast du auch Marathons und Etappenrennen für deine Terminplanungen für 2013 vorgesehen?
Eigentlich nicht. Ich bin noch nie ein Etappenrennen mitgefahren, dass würde mich schon mal reizen! Aber 2013 habe ich das nicht im Plan.
Fährst du auch andere MTB-Disziplinen z.B. mit mehr Federweg am Bike oder sogar mal im Bikepark?
Ja, ich gehe ab und zu in Todtnau im Bikepark trainieren. Das macht richtig Spaß! Ich habe dort die Möglichkeit richtige Downhill-Bikes und Protektoren auszuleihen. Es gibt mehrere verschiedene Abfahrten, perfekt um die Fahrtechnik zu verbessern.
Verletzungen bleiben auch im Profi-Bereich ein Thema. Was hast du dir da bisher so zugezogen?
Erst Ende Juni bin ich bei der Deutschen Meisterschaft im Eliminator-Sprint gestürzt und habe mir die rechte Schulter ausgekugelt. Das war richtig schmerzhaft und ich musste 10 Tage komplett Pause machen. Danach durfte ich wieder mit Rollentraining anfangen und war oft beim Physio. So eine Verletzung wirft einen schon ganz schön zurück. Inzwischen kann ich die Schulter aber wieder vollständig belasten und ins Wettkampfgeschehen eingreifen!
Wie sieht angesichts deiner verschiedenen Tätigkeiten dein normaler Tagesablauf aus?
In der Zeit in der ich Vorlesungen habe stehe ich morgens um 7.30 Uhr auf und beginne den Tag mit einem ausgewogenen Frühstück. Ein guter Cappuccino darf natürlich nicht fehlen! Danach fahre ich zur Hochschule wo um 9.30 Uhr die erste Vorlesung beginnt. Im Sommer bin ich spätestens um 13.30 Uhr wieder in Freiburg und habe genügend Zeit zum Trainieren.
Das klingt sehr busy. Kommst du dabei auch wirklich noch genug zum trainieren für’s XC Racing?
Ja auf jeden Fall! Das ist für mich auch höchste Priorität! Wenn ich zum Beispiel ein hartes Training auf dem Plan hatte und die Erholungszeit mal nicht ausreicht, lasse ich auch mal eine Vorlesung ausfallen und hole den Stoff dann zu einem passenden Zeitpunkt nach.
Wie würdest du deinen eigenen Fahrstil beschreiben?
Technikorientiert, flüssig und mit Auge um Defekte zu vermeiden, und aggressiv wenn es darauf ankommt!
Welches deiner Bikes fährst du selber am häufigsten?
Am häufigsten und am liebsten fahre ich mein Scott Scale 29er! Durch die größeren Räder habe ich einige Vorteile gegenüber den 26 Zoll Bikes. Am meisten merke ich den Unterschied über Wurzelpassagen berghoch sowie auf Flachstücken mit hoher Geschwindigkeit.
Wo liegen deine Lieblings-Spots für’s Biken?
Mit meiner „Wahlheimat“ Freiburg habe ich perfekte Bedingungen zum Biken. Am liebsten fahre ich auf den Trails der Freiburger Hausberge Rosskopf und Kybfelsen. Zum Höhentraining gehe ich nach Livigno, da macht es auch super Spaß die Trails zu rocken!
Welches Erlebnis bei einem Bike-Trip wirst du nie vergessen?
Bei einer längeren Mountainbiketour im Hochgebirge waren wir auf einem Trail unterwegs, den wir vorher nur von der Karte kannten. Der Weg wurde irgendwann brutal steil, mit Felsen verblockt und unfahrbar. Umdrehen kam nicht in Frage, also weiter! Klettersteig, Bike schultern, mit der linken Hand am Drahtseil festhalten und bloß keinen falschen Schritt machen, rechts der Abgrund! Der Bike-Trip wurde zu einem unvergesslichen Erlebnis.
Drei Dinge, die du am Profibiken magst?
Das gute Gefühl nach einer gelungenen Trainingseinheit! Mit dem perfekten „Flow“ ein Rennen zu bestreiten! Zu den verschiedensten Spot´s auf der ganzen Welt zu reisen und dabei neue Leute kennen lernen.
Drei Dinge, die dich daran nerven?
Ob ich da überhaupt drei zusammenbringe, hehe. Lange Grundlagentrainingseinheiten bei schlechtem Wetter sind ab und zu echt öde und langweilig. Sicher könnte ich jetzt noch Dinge wie Verletzungspech oder falsche Wettkampfvorbereitung aufzählen, aber das gehört finde ich einfach zum Sport dazu.
Bist du Vollzeit-Bikeprofi und was sind deine Alternativen in Sachen Berufswahl?
Zum Bikeprofi fehlen mir leider noch ein paar Prozent! Deshalb studiere ich nebenbei Wirtschaftsingenieurwesen. Ich kann mir gut vorstellen, diesen Beruf später auszuüben, wenn es nicht mit meinem Traumberuf Bikeprofi klappt.
Welche Sportarten reizen dich neben dem Biken noch?
Ich gehe im Winter oft Skilanglaufen (Skaten) und Snowboarden! Wenn ich im Sommer Zeit habe gehe ich auch mal Wakeboarden. Was ich definitiv unbedingt mal ausprobieren will ist Kitesurfen.
Was hattest du dir bike-mäßig für 2012 vorgenommen?
Ich wollte dieses Jahr unbedingt bei einem XCE Weltcup ins Finale kommen! Das habe ich mit meinem 6. Platz in Nove Mesto (CZE) auch geschafft. Sehr wichtig war mir auch endlich wieder bei der WM am Start zu stehen! Die Weltmeisterschaft fand Anfang September statt und war mein Saisonhöhepunkt. Dort startete ich beim Cross Country und beim Eliminator Sprint!
Was war für dich die wichtigste technische Entwicklung im MTB-Sport?
Da wären wir ja gleich beim Thema. Auf jeden Fall die Scheibenbremsen! Federgabeln am Bike gibt es ja schon seit ich denken kann.
Dein Lieblingsprodukt aller Zeiten (aus dem Bike-Bereich)?
Selle Italia SLR!?! Den bin ich schon vor 7 Jahren gefahren und jetzt hab ich ihn auch wieder an meinem Bike!
Was ist die wichtigste Lektion die das Leben dich gelehrt hat?
Immer einen Plan B zu haben!
Welchen besten Tipp hast du mal an jemand anderen gegeben?
Schwierige Frage … Ich habe mal zu einem guten Freund gesagt, er soll mit seiner aktuellen Lebenssituation zufrieden sein und das genießen was er hat, statt andauernd nach neuen Dingen zu streben. Noch zwei Monate später meinte er zu mir, dass ihm dieser Satz lange nicht aus dem Kopf ging. Ich denke mal das war ein guter Tipp.
Was war der wichtigste Ratschlag eines Freundes, den du je bekommen hast?
Nie den Spaß am Leben aus den Augen zu verlieren.
Was führt dich in Versuchung?
Hübsche Frauen…
Was macht dich glücklich?
Spaß zusammen mit Freunden und Familie haben.
Dein größter Erfolg?
Die Bronze Medaille bei der Junioren Europameisterschaft 2009.
Deine größte Angst?
Eine mir nahe stehende Person in zu verlieren.
Dein aktuelle/r Lieblingsfahrer/in unter den Bikeprofis?
Marco Aurelio Fontana! Er ist eine sympatische Person, hat einen hammer Style und ist das geilste Rennen bei Olympia in London gefahren!
Welche drei Eigenschaften sagt man dir nach?
Zielstrebig, ehrgeizig und gewissenhaft.
Wie möchtest du gerne in Erinnerung gehalten werden?
Als fairer und ehrlicher Sportler.
Danke für das Interview und weiterhin viel Spaß und Erfolg beim Biken & Racen!
Web: Martin auf Facebook // Team Lexware Racing FB-Page // Webpage des Teams
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